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Harte Strafen für VW-Manager Harte Strafen für VW-Manager: Angeklagter mit "169 Jahre Haft" konfrontiert

Von Steven Geyer 13.01.2017, 17:32
Einer der Angeklagten VW-Manager könnte im schlimmsten Fall mit 169 Jahren Haft bestätigt werden.
Einer der Angeklagten VW-Manager könnte im schlimmsten Fall mit 169 Jahren Haft bestätigt werden. dpa-Zentralbild

Deutsche Experten und Politiker, die sich mit der hiesigen Aufarbeitung des Dieselskandals befassen, blicken neidisch nach Amerika: Nach den Entschädigungen für VW-Kunden stehen nun auch im Strafprozess gegen die verantwortlichen Manager in den USA drakonische Strafen ins Haus: Am Freitag wurde gemeldet, dass der inhaftierte VW-Manager Oliver Schmidt nicht auf Kaution freigelassen wird und im härtesten Fall mit einer Haftstrafe von 169 Jahren rechnen muss. „Faktisch sieht er sich mit lebenslangem Gefängnis konfrontiert“, teilte das Justizministerium mit.

Elf Anklagepunkte gegen Schmidt

Schmidt war bis Frühjahr 2015 bei Volkswagen in den USA für Umweltfragen zuständig. Die US-Staatsanwälte haben insgesamt elf Anklagepunkte gegen Schmidt zusammengetragen. Die Vorwürfe reichen von bewussten Falschaussagen bis zur Vernichtung von Beweismitteln. Im Kern wird ihm vorgeworfen, Teil einer Verschwörung zum Betrug und Verstoß gegen Umweltgesetze zu sein. Volkswagen hat sich indes mittlerweile ganz offiziell schuldig bekannt, in den USA illegale Abschaltvorrichtungen bei Diesel-Pkw eingesetzt zu habe.

FBI Ex-Entwicklungschef Neusser auf der Spur

Die Bundespolizei FBI ist derweil fünf weiteren mutmaßlich wichtigen Akteuren im Dieselgate auf der Spur. Dazu soll laut Finanznachrichtenagentur Bloomberg auch Heinz-Jakob N. gehören, der bis September 2015 Entwicklungschef  für die Marke VW war. Laut Bloomberg haben die Anwälte der Beschuldigten ihren Mandaten empfohlen, Deutschland nicht zu verlassen, um nicht verhaftet zu werden.

Als Unternehmen hat sich der Wolfsburger Konzern gerade schuldig bekannt und einen Vergleich ausgehandelt: Straf- und zivilrechtliche Verfahren werden gegen die Zahlung von umgerechnet 4,1 Milliarden Euro beigelegt.   

Auch hierzulande wird ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig wirft Winterkorn und Hans-Dieter Pötsch, der bis Oktober 2015 Finanzvorstand bei Volkswagen war und heute an der Spitze des Aufsichtsrats steht,  Marktmanipulation vor: Die Aktionäre sein zu spät über die Abgasmanipulationen informiert haben.

Dass nicht mit ähnlicher Härte wie in den USA gegen Verdächtige vorgegangen wird, hat viele Gründe. Zwar sind Abschaltvorrichtungen à la Volkswagen auch in der EU nicht rechtens. Aber bei der Umsetzung der Bestimmungen in deutsches Recht hapert es. Die EU-Kommission hat denn auch im Dezember ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere Mitgliedsstaaten auf den Weg gebracht, weil es trotz offensichtlicher Verstöße keinerlei Strafen gegen Volkswagen gab.

Die Grünen fordern indes Gesetzesverschärfungen. „In den USA werden VW-Kunden großzügig entschädigt und verantwortliche Manager wandern ins Gefängnis“, sagte ihr Fraktionsvize im Bundestag, Oliver Krischer, dieser Zeitung. In Deutschland bekämen VW-Kunden dagegen nichts und die Verantwortliche müssten kaum mit Strafen rechnen. „Bei aller Unterschiedlichkeit der Rechtssysteme: Die extrem unterschiedliche Behandlung des gleichen Vergehens hier und in den USA ist ein Hohn für Verbraucher und die Menschen, die unter der Luftverschmutzung in Städten leidend.“ Die Bundesregierung müsse „endlich klare Regeln schaffen, die eine angemessene Entschädigung sicherstellt“, fordert Krischer. „Dass Verantwortliche bei VW und anderswo sich auf Tricksen und Betrügen verlegten, hat auch damit zu tun, dass die Bundesregierung keine Sanktionsmöglichkeiten für Abgasbetrug geschaffen hat. Wo keine ernsthaften Strafen drohen ist die Hemmschwelle fürs Tricksen und Betrügen viel niedriger.“

VW-Manager werden in Deutschland anders anders bestraft

Verbraucherschützer sehen nicht nur einen großen Unterschied im Umgang mit den Managern, sondern auch mit den Kunden.  „Die drastischen Strafen, die in den USA im Raum stehen, sollen Verstöße gegen das Strafrecht ahnden und nicht gegen den Verbraucherschutz“, sagt Ottmar Lell, Handels- und Rechtsexperte des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes. „Trotzdem muss man sagen, dass die Betrugsvorwürfe gegen die Verantwortlichen in Deutschland nun schon sehr lange geprüft werden.“ Auch was den Schadenersatz für Verbraucher angeht, besteht in den USA eine andere Rechtsgrundlage: „Dort gilt es schon als eine Basis für Schadensersatz, wenn ein Unternehmen gegen geltende Gesetze verstoßen hat, weil man als Verbraucher dann einen moralischen Schaden erleide“, sagte Lell dieser Zeitung. In Deutschland müsse dagegen ein materieller Schaden nachgewiesen werden.

„Den sehen wir aber durchaus, wenn die Autos infolge der Nachrüstung mehr Sprit brauchen, weniger Leistung haben oder weniger lang halten, oder wenn der Wiederverkaufswert sinkt.“ Leider seien auch da noch viele Fakten zu unklar, um die Erfolgsaussichten von entsprechenden Klagen zu beurteilen. „Deshalb finden wir, ein so großer Konzern wie Volkswagen müsste von sich aus seinen Kunden eine gewisse Entschädigung anbieten, als Wiedergutmachung nach einem solchen Fehlverhalten.“