Hanwha Q-Cells in Bitterfeld Hanwha Q-Cells in Bitterfeld: Das Subventions-Grab

Bitterfeld-Wolfen - Im Ruf nach Staatshilfe gilt die Linke eigentlich nicht als zimperlich. Doch im Fall des Solar-Unternehmens Hanwha Q-Cells mutiert der wirtschaftspolitische Sprecher der Partei, Frank Tiehl, offenbar zum Liberalen: „Über Jahre hinweg hat die CDU-geführte Landesregierung dem Solarzellenhersteller im wahrsten Sinne des Wortes den Hintern vergoldet.“ Dafür sei nun „wahrscheinlich der finale Fußtritt“ gekommen. Thiel führt aus, dass 40 Millionen Euro Fördergeld an Q-Cells geflossen seien. Mehr als die Hälfte sei bereits durch die Pleite 2012 verloren gegangen. Die Landesregierung betreibe keine nachhaltige Förderpolitik.
Was Thiel und viele andere in Rage bringt ist, dass das Solarunternehmen über Jahre Subventionen erhielt, nun aber der deutsch-südkoreanische Konzern Hanwha-Q-Cells die Produktion am Firmensitz Bitterfeld-Wolfen komplett schließt und ins Hauptwerk nach Malaysia verlagert. Verbunden ist dies mit einem radikalen Stellenabbau. 550 von 870 Stellen sollen wegfallen. Nur Forschung und Vertrieb werden verbleiben. Als die Koreaner bei der insolventen Q-Cells im Herbst 2012 einstiegen, sicherten sie auch den Erhalt einer kleinen Produktion zu. Haben sie getäuscht?
Um dies zu beantworten, muss man in die Historie des Unternehmens blicken. Im Sommer 2001 liefen die erste Solarzellen bei der jungen Firma Q-Cells vom Band. Mit 39?Mitarbeitern gestartet, stieg das Unternehmen in wenigen Jahren zum weltgrößten Solarzellen-Hersteller mit 2?000 Beschäftigten auf. Der Höhenflug berauschte nicht nur die Unternehmensführung, sondern auch viele Anleger, die Aktien für Millionen Euro kauften. Die wachsende Konkurrenz von asiatischen Billig-Anbietern wurde lange Zeit unterschätzt, kam dann jedoch mit voller Wucht. Solarexperte Henning Wicht vom Beratungsunternehmen IHS verdeutlicht dies: „Kostete 2008 ein Solarmodul vier US-Dollar, so sind es heute nur noch 60 Cent.“ Dies sei so, als ob der VW Golf heute nur noch 3?000 Euro kosten würde. „Diesen Preiseinbruch hatte kaum einer vorhergesehen“, sagt Wicht. Chinesische Firmen produzieren deutlich billiger und werden noch dazu von der Regierung durch günstige Kredite unterstützt. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsstaatssekretärin Tamara Zieschang spricht von einem „unfairen Wettbewerb“.
Auf der nächsten Seite: Q-Cells reiht sich ein in das Schicksal vieler deutscher Solarunternehmen. Hanwah galt als Retter. Und es sah auch erst vielversprechend aus. Woran scheiterte Q-Cells?
Q-Cells versuchte noch, durch den Aufbau einer Fertigung in Malaysia die Kosten zu senken, schaffte die Wende aber nicht mehr. So wie Q-Cells ging es vielen deutschen Solarunternehmen. Bis Anfang 2014 halbierte sich die Zahl der Beschäftigten in der Solarindustrie auf 4?800. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung hat errechnet, dass jeder dieser Arbeitsplätze durch die bundesweite Ökostrom-Umlage mit 175?000 Euro gefördert wird. Zum Vergleich: Die Steinkohleförderung schlägt nur mit 75?000 zu Buche.
Im Herbst 2012 übernahm der südkoreanische Konzern Hanwha die insolvente Q-Cells. Hanwha sicherte am Standort einen Teil der Produktion, die Forschung und den Vertrieb. Dafür bekam es wertvolle Q-Cells-Patente auf neue Technologien. Wirtschaftsforscher Ulrich Blum von der Universität Halle empfahl damals, dass das Land die Patente übernehmen und dem Investor nur zur Verfügung stellen sollte. Blum fühlt sich heute bestätigt: „Die Patente sind weg. Ob Hanwha langfristig bleibt, ist ungewiss.“ Nach seiner Ansicht sichern nur die Patente den Standort. Doch ohne die Patente hätte sich Hanwha wohl kaum auf die Übernahme eingelassen. In den vergangenen zwei Jahren sah die deutsch-südkoreanische Partnerschaft auch vielversprechend aus. Die Koreaner brachten vor allem finanzielle Mittel ein, die Deutschen ihr Fachwissen. Zieschang betont, dass es seit der Übernahme durch Hanwha keine Fördermittel vom Land mehr gegeben habe.
Investiert wurde dennoch, vor allem die Fertigungskapazität in Malaysia wurde auf 1,5 Gigawatt aufgestockt. Zum Vergleich: Die Jahresproduktion entspricht der Leistung eines Atomkraftwerkes. Im ersten Halbjahr 2014 steigerte das Unternehmen die Produktion um 68 Prozent. Dabei wurden schwarze Zahlen geschrieben. Doch nicht in Bitterfeld-Wolfen. Dort sei die Fertigung von Solarzellen und Modulen doppelt so teuer wie in Malaysia, heißt es aus Unternehmenskreisen. Finanzchef Kawsey Son sagt, es sei nicht möglich gewesen, wettbewerbsfähig zu arbeiten. Solarexperte Wicht weist zudem darauf hin, dass sich auch der Markt von Europa nach Asien verschoben habe, was hiesige Hersteller treffe.
Neue Forschungsmittel beantragt
Doch ist eine künftige Schrumpfmannschaft von 350 Mitarbeitern in Forschung und Vertrieb in Bitterfeld-Wolfen überlebensfähig? Ein Teil der Produktion wurde in der Vergangenheit auch deshalb aufrechterhalten, um Neuentwicklungen in die Produktion zu überführen. „Das wird künftig komplizierter“, sagt Betriebsratschef Uwe Schmorl. Bei der Bundesregierung hat Hanwha Q-Cells laut Medienberichten 20?Millionen Euro für neue Forschungsvorhaben beantragt.
Sorgenvoll blickt man auch von Halle aus nach Bitterfeld-Wolfen. Für 60 Millionen Euro haben EU, das Land Sachsen-Anhalt und die Fraunhofer-Gesellschaft in den vergangenen Jahren das neu gegründete Forschungsinstitut Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik (CSP) errichtet. Mehr als 110 Mitarbeiter arbeiten dort. „Q-Cells ist für uns ein wichtiger Partner“, sagt Institutsleiter Jörg Bagdahn. Es werde an der Optimierung von Wirkungsgraden für Solarzellen gearbeitet und die Zuverlässigkeit von Solarmodulen verbessert.
In den Statuten der Fraunhofer-Gesellschaft steht, dass die Forscher nur für deutsche und europäische Unternehmen arbeiten dürfen. So soll ein Know-how-Verlust vermieden werden. Bagdahn geht jedoch fest davon aus, dass die Arbeit für Q-Cells, die in Bitterfeld-Wolfen sitzt, fortgesetzt wird. Es gebe viele internationale Unternehmen, die in Deutschland ihre Forschungsabteilungen haben. Mit diesen arbeite Fraunhofer zusammen. Da man aber verschiedene Kunden habe, so Bagdahn, sei man von Q-Cells nicht abhängig. Er räumt aber unumwunden ein, dass die Krise der Solarbranche sein Institut trifft. Doch nur durch Innovationen könnten hiesige Firmen Wettbewerbsvorteile erreichen.
Staatssekretärin Zieschang ist unterdessen überzeugt, dass Hanwha langfristig seine Forschungsabteilung in Bitterfeld-Wolfen belässt: „Das Unternehmen verfügt weltweit an keinem anderen Standort über die hiesigen Kompetenzen.“ Ein ehemaliger Q-Cells-Manager stimmt zu, wirft aber ein: „Hier passiert nichts, was man nicht in fünf Jahren auch woanders aufbauen kann.“
Unzweifelhaft haben die Fördermittel für Q-Cells nicht die gewünschte wirtschaftspolitische Rendite gebracht, die erwartet wurde. Q-Cells kann man als Subventionsgrab bezeichnen. Das vorherzusehen, war aber schwierig. Linken-Politiker Thiel gehört offenbar zu der Schar der Auserwählten. (mz)