Fahrrad-Hersteller Mifa-Bike aus Sangerhausen Fahrrad-Hersteller Mifa-Bike aus Sangerhausen: 350 Produktions-Mitarbeiter gehen in Kurzarbeit

Sangerhausen - Beim Fahrradbauer Mifa stehen nicht nur die E-Bikes, sondern auch der Unternehmenschef Heinrich von Nathusius unter Strom. Sein Arbeitstag beginne oft um 6.30 Uhr beim gemeinsamen Frühstück mit Führungskräften im Hotel und ende selten vor 20 Uhr, sagt der 72-Jährige im MZ-Gespräch. Anfang des Jahres haben er und seine drei Kinder den Geschäftsbetrieb der damals insolventen Fahrradfirma übernommen. „Seither bin ich damit beschäftigt, Altlasten zu beseitigen und Innovationen voranzutreiben“, sagt er.
Noch in der Insolvenz sicherte der damalige Verwalter Lucas Flöther zahlreiche Großaufträge für das Unternehmen. In dem verkürzten Geschäftsjahr von Januar bis Ende September 2015 wird das neue Unternehmen Mifa Bike laut von Nathusius knapp 400.000 Fahrräder absetzen. Damit werde ein Umsatz von etwa 60 Millionen Euro erzielt. In der Gewinnzone sei die Firma damit noch nicht.
Gleich zu Beginn der Arbeit erlebte der Unternehmer nach eigenen Worten „eine böse Überraschung“: „Wir hatten Altbestände von 50.000 bis 60.000 Fahrrädern mit übernommen.“ Diese seien in Lagern im ganzen Landkreis Mansfeld-Südharz verteilt gewesen. „Die Räder waren teilweise in einem schrecklichen Zustand. Ich habe abenteuerliche Dinge gesehen“, so von Nathusius. Die Erlöse aus dem Verkauf dieser Räder lagen daher weit unter den Erwartungen.
Stolz ist der Firmenchef darauf, dass es im Zuge der Übernahme zu „keinen größeren Entlassungen“ gekommen ist. Mifa beschäftigt aktuell rund 550 Mitarbeiter. Ab 1. Oktober werden allerdings 350 Produktionsmitarbeiter in Kurzarbeit gehen. „Sie werden in dieser Zeit zu 30 Prozent arbeiten und zu 30 Prozent geschult“, so von Nathusius. Sowohl bei der Qualität als auch bei der Produktivität müsse das Unternehmen besser werden. Ab Jahresbeginn 2016 solle die Fertigung für das Frühjahrsgeschäft wieder voll aufgenommen werden. „Strukturelle Probleme“, sieht von Nathusius im Unternehmen nicht. Für das neue Geschäftsjahr, das im Oktober beginnt, erwartet er einen Umsatz von 104 Millionen Euro. „Zwei Drittel der Produktion ist durch Verträge weitgehend abgesichert. Das Auftragsbuch ist gut gefüllt.“
Werksneubau ist größte Baustelle
Die größte Baustelle des Unternehmens wird im wahrsten Sinne des Wortes der geplante Werksneubau. Nach einer Analyse der Produktionsprozesse hatte von Nathusius im April überraschend angekündigt, den innerstädtischen Standort in Sangerhausen aus Kostengründen aufzugeben. Für rund 17 Millionen Euro soll auf der grünen Wiese ein neues Werk errichtet werden. Daraufhin bekundeten nicht nur Sangerhausen, sondern auch andere Städte in der Region wie Aschersleben und Eisleben Interesse. Selbst Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) wirbt für einen Standort im benachbarten Freistaat.
In Sangerhausen gibt es zwar mehrere potenzielle Gewerbestandorte, doch war lange Zeit unklar, ob diese geeignet sind oder rechtzeitig Baurecht geschaffen werden kann. Die Erschließung eines Industriegebiets verzögert sich. Der Grund ist eine Hamsterpopulation, die streng geschützt ist. Nun soll ein Standort an der Südharzautobahn A 38 geschaffen werden. „Wir haben immer gesagt, unsere Präferenz ist Sangerhausen“, sagt von Nathusius. „Sollte es aber Verzögerungen geben, haben wir einen Plan B.“ Der Zeitplan ist eng: „Wir wollen noch in diesem Jahr mit den Erdarbeiten beginnen. Bis Mitte nächsten Jahres soll der Neubau stehen, im Herbst wird umgezogen.“ Die Firma Stahlbau Brehna sei intensiv mit den Planungen beschäftigt.
Neue Wege will von Nathusius auch im Fahrradbau gehen. Auf Frankfurter Autoschau IAA, die am Sonntag zu Ende geht, war Mifa als einziger deutscher Fahrradbauer vertreten. „Das Fahrrad wird in Großstädten künftig viel stärker als Verkehrsmittel dienen“, ist der Unternehmer überzeugt. Dazu müsse es aber sicherer werden. Im Bereich der E-Bikes hält von Nathusius in den kommenden Jahren ABS-Systeme für möglich. „Auch ein Vibrationsalarm im Lenker bei zu dichtem Auffahren wird sicher kommen.“ Nach seinen Worten wird Mifa verstärkt an solchen Themen arbeiten. Aktuell ist er mit dem Absatz im E-Bike-Geschäft zufrieden: „Die Mountainbikes mit E-Motor unserer Marke Steppenwolf machen uns große Freude.“
Schon einmal hat von Nathusius einen traditionsreichen DDR-Betrieb gerettet. Nach der Wende übernahm er das Ifa-Gelenkwellenwerk in Haldensleben bei Magdeburg mit damals 250 Mitarbeitern. Von Nathusius sanierte den Betrieb. Heute hat der Autozulieferer 1 700 Mitarbeiter, betreibt auch Werke in den USA und China, und macht 450 Millionen Euro Umsatz. (mz)
