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Erbschaftssteuer-Reform Erbschaftssteuer-Reform: Neues Gesetz im Grunde immer noch verfassungswidrig

Von Markus Sievers 12.10.2016, 15:11
Die Politik kommt auch weiterhin den Unternehmen bei der Erbschaftseuer weit entgegen und begünstigt die Firmeninhaber stärker als vom Grundgesetz erlaubt.
Die Politik kommt auch weiterhin den Unternehmen bei der Erbschaftseuer weit entgegen und begünstigt die Firmeninhaber stärker als vom Grundgesetz erlaubt. dpa-Zentralbild

Die Politik kommt auch weiterhin den Unternehmen bei der Erbschaftseuer weit entgegen und begünstigt die Firmeninhaber stärker als vom Grundgesetz erlaubt. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Berliner Ökonomen in einem Gutachten, das dieser Zeitung vorliegt.

Erbschaftssteuer immer noch gesetzeswidrig

Demnach werden Union, SPD und einige grüne Ländervertreter am Freitag erneut ein grundgesetzwidriges Gesetz beschließen, wenn wie zu erwarten der Bundesrat den mühsam ausgehandelten Kompromiss annimmt. Laut der Studie  wird „die verfassungswidrige übermäßige Privilegierung des Betriebsvermögens im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer im Ergebnis (fast) vollständig beibehalten“. 

Völlig unberührt bleibe die Möglichkeit, eine völlige Steuerverschonung zu erreichen.  Nach wie vor könnten Firmeninhaber auch riesige Betriebsvermögen und Aktienpakete durch geschickte Steuergestaltung so an die Töchter und Söhne weiterreichen, dass diese nichts von ihrem neuen Reichtum abgeben müssten.

Dies weisen Achim Truger von der Hochschule für Wirtschaft und Recht und Birger Scholz von der FU Berlin mit neun Beispielrechnungen nach. In dem von der Nichtregierungsorganisation Campact beauftragten Gutachten zeigt sich, dass die in langen Nachverhandlungen vereinbarten Korrekturen in der Sache wenig bewirkten. 

Neues Gesetz bringt kaum Mehrbelastungen

Der Bundesrat hatte das vom Bundestag beschlossene Gesetz abgelehnt. Doch die anschließend durchgesetzten Veränderungen bringen laut der Studie nur in sechs der neun Fälle eine Mehrbelastung, die vielfach zudem ausgesprochen leicht ausfalle. In zwei Konstellationen ergeben sich sogar geringere Einnahmen für den Staat.

Noch deutlicher fällt das Ergebnis aus, wenn man das endgültige Ergebnis nicht mit dem ersten Reformversuch des Bundestages vergleicht, sondern mit der Gesetzeslage von heute. Nur in vier von neun Fällen führt das neue Gesetz laut Truger und Scholz zu einer Mehrbelastung.  Bei den anderen zeigten sich zum Teil „spürbare Minderbelastungen“.

In einem Beispielfall übergibt ein Unternehmer einen florierenden Handwerksbetrieb mit 19 Beschäftigten und einem jährlichen Gewinn von einer Millionen Euro an ein einzelnes Kind. Gegenüber dem alten Recht sinkt dessen Steuerlast durch die beabsichtige Reform von rund 430.000 Euro auf 63.750 Euro. In Relation zum übernommen Wert beträgt der Steuerbetrag statt 2,4 Prozent künftig 0,4 Prozent.

Dies erklärt sich durch Änderung beim so genannten Verwaltungsvermögen. Dazu zählen Werte, die nicht unbedingt für die Arbeit im Betrieb benötigt werden. Beispiele sind vermietete Grundstücke, Kunstwerke oder flüssige Finanzmittel. Dieses Verwaltungsvermögen darf bisher nicht mehr als zehn Prozent am Betriebsvermögen ausmachen, um von der Erbschaftsteuer verschont werden zu können.

So will die Politik verhindern, dass Unternehmer private Werte in die Firma schieben, um den Fiskus auszutricksen. Durch das neue Recht steigt die Schwelle auf 20 Prozent. Nur bei sehr hohen Verwaltungsvermögen dreht sich dieser Vorteil durch die Reform zu einem Nachteil.  

Firmen sollen nicht zerschlagen werden, um Erbschaftssteuer zu finanzieren

In einem zweiten Beispiel verschenkt der Vater an seine drei Kinder jeweils zehn Prozent an einer börsennotierten Aktiengesellschaft. Über die Anteile dürfen die drei aber auf Vorschlag des Steuerberaters laut einer Poolingvereinbarung nur gemeinsam verfügen. Damit werden ihre Aktienpakte nicht wie normale Aktien besteuert, sondern können als Familienvermögen von der Erbschaftsteuer verschont werden.

Erfüllt sein müssen nur die üblichen Bedingungen wie die, dass der Betrieb über sieben Jahre die Arbeitsplätze erhält. Nachweisen müssen die Kinder zudem, dass sie über kein Privatvermögen verfügen, aus dem sie die sonst fällige Erbschaftsteuer finanzieren könnten. Auch hinter dieser Regel steht eine gute Absicht. Die junge Generation soll nicht gezwungen werden, die Familienfirma zerschlagen zu müssen, um die Erbschaftsteuer zu finanzieren.

Nur wenn die Kinder private Reichtümer aufweisen, sollen sie Erbschaftsteuer abführen, damit die Betriebe und die Arbeitsplätze nicht gefährdet werden. Doch durch die vielen komplizierten Bestimmungen und Ausnahmen kommen auch Erben von Aktienpaketen in den Genuss dieser Verschonung.

Betriebsvermögen wird weiter von Steuer verschont, wenn das Unternehmen erhalten bleibt

Nach langem Hickhack hat sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat im September auf ein äußerst komplexes Recht verständigt.  Im Kern wird Betriebsvermögen weiter von der Erbschaftsteuer verschont, wenn das Unternehmen fortgeführt und die Arbeitsplätze erhalten werden.

Bei Erbschaften von mehr als 26 Millionen Euro müssen die Begünstigten in einer Bedürfnisprüfung nachweisen, dass sie die Verschonung mangels Finanzkraft brauchen. Für kleine Firmen sind die Hürden bis zu einer Befreiung geringer als für große Unternehmen.