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Die Überlebenden Die Überlebenden: In Deutschland gibt es nur noch wenige Solarmodul-Hersteller

Von Steffen Höhne 01.11.2018, 07:00
Die Fertigung der Solarmodule übernehmen in der Dresdner Solarwatt-Fabrik vor allem Roboter.
Die Fertigung der Solarmodule übernehmen in der Dresdner Solarwatt-Fabrik vor allem Roboter. dpa

Halle (Saale) - Der heiße, trockene Sommer 2018 hat auch wirtschaftliche Gewinner hervorgebracht: Einer davon ist die Solarwirtschaft, für die 2018 ein Rekordjahr wird. In den ersten neun Monaten des Jahres haben die in Deutschland installierten 1,7 Millionen Solaranlagen so viel Sonnenstrom erzeugt wie im gesamten vergangenen Jahr.

Auch der Ausbau kommt in Schwung. Laut Bundesverband Solarwirtschaft wurden bereits von Januar bis August neue Anlagen mit einer Leistung von 2000 Megawatt installiert. Im gesamten Vorjahr waren es nur 1700 Megawatt. Von dem Boom profitieren allerdings nur noch wenige deutsche Solar-Hersteller: Mitte März ging mit Solarworld aus Bonn der letzte große deutsche Solarzellen-Produzent pleite. Geht damit auch die Technologie verloren? Nein. In der Nische haben sich einige Spezialisten etabliert. Der wohl bekannteste: Solarwatt aus Dresden.

Solarwatt in Dresden - die Roboter-Fabrik

In der Produktionshalle der Solarfirma muss man die Mitarbeiter suchen. Mit nur 35 Beschäftigten werden in einer Schicht Solarmodule hergestellt. Das Gros der Arbeit übernehmen orange lackierte Roboter von Kuka. Sie heben Glasscheiben auf das Band, setzen Solarzellen darauf, laminieren, verkleben und befestigen die Rahmen. 660.000 Module werden so pro Jahr gefertigt. Der Mensch hat in der Produktion vor allem eine Kontrollfunktion.

„Wir sind in den vergangenen Jahren zweistellig gewachsen und streben dieses Jahr einen Umsatz von 80 Millionen Euro an“, sagt Unternehmenschef Detlef Neuhaus. Den Massenmarkt für Solarparks hat das Unternehmen aufgegeben. „Wir konzentrieren uns auf Privat- und kleinere Gewerbekunden, die langlebige Produkte schätzen“, sagt der Geschäftsführer.

Solarwatt stellt dafür hauptsächlich sogenannte Glas-Glas-Module für Dachanlagen her. Wie aus dem Namen schon hervorgeht, sind sie beidseitig verglast, was sie beispielsweise bei Hagel schützt. In Deutschland aber auch in Belgien und den Niederlanden wird die sächsische Solartechnik verkauft.

Nur 15 von mehr als 60 Solar-Herstellern haben überlebt

Solarwatt gehört zu den noch etwa 15 deutschen Herstellern, von einst mehr als 60, die sich bisher im Wettbewerb mit den asiatischen Konkurrenten behaupten konnten. Zu den Überlebenden gehören laut Solarverband auch Aleo Solar in Prenzlau (Brandenburg), Heckert Solar in Chemnitz (Sachsen), Astronergy in Frankfurt  (Oder) und Calyxo (Landkreis Anhalt-Bitterfeld).

Viele der Firmen haben turbulente Jahre hinter sich mit Insolvenzen und Eigentümerwechseln. Viele der neuen Eigner kommen aus Asien und sind vor allem an der Forschung und Entwicklung in Deutschland interessiert. Auch Solarwatt ging 2012 insolvent.

Der Retter der Solarfirma heißt Stefan Quandt. Der Unternehmer kommt aus der BMW-Besitzerfamilie und investiert in Technologie-Unternehmen. In Dresden ist er auch am Solarfolienhersteller Heliatek und der Softwarefirma Kiwigrid beteiligt, die Strommanagementsystem für die Energiewende programmiert.

Solarwatt will mit Strommanagementsystemen punkten

Mit Systemen will auch Solarwatt-Chef Neuhaus bestehen. So bietet das Unternehmen nicht nur Solarmodule an, sondern auch Batteriespeicher. „Es gibt immer mehr Kunden, die unabhängig vom Stromnetz sein wollen“, erklärt Neuhaus. Das lohne sich mittlerweile auch. Solarstrom vom eigenen Dach koste derzeit je nach Standort etwa acht bis 14 Cent je Kilowattstunde.

Mit einem Speicher würden die Kosten auf mehr als 20 Cent steigen. Zum Vergleich: Haushaltsstrom kostet heute etwa 30 Cent je Kilowattstunde. Die Investition in die Solartechnik rechnet sich nach zehn bis 15 Jahren. „Langlebigkeit der Produkte spielt also eine wesentliche Rolle“, sagt Neuhaus.

Doch wie sehen die Überlebenschancen der verbliebenen deutschen Anbieter aus? In den vergangenen Jahren sind die Preise um 70 Prozent gefallen. In diesem Jahr gab es erneut einen Preisrutsch, den chinesische Anbieter auslösten. Solarwatt kauft die Solarzellen als Vorprodukt weltweit ein. „Damit sinken auch bei uns automatisch die Kosten“, so Neuhaus. Auch die Batteriezellen werden aus Südkorea importiert und in Dresden zu Speichern zusammengebaut. Dennoch: Solarwatt schreibt noch rote Zahlen. Erst 2021 soll laut Firmenchef „eine schwarze Null“ erwirtschaftet werden.

Chinesische solar-Anbieter sind schneller

Der hallesche Insolvenzverwalter Lucas Flöther hat bereits zwei größere Insolvenzen von Solarfirmen betreut. Seine Einschätzung: „Eine kostendeckende Produktion ist hierzulande schwierig.“ Das liege an höheren Personalkosten. Für Flöther noch entscheidender ist jedoch, dass in Asien mehr Geld für Großinvestitionen zur Verfügung steht und schneller agiert wird. „Wenn in Deutschland der Bauantrag genehmigt wird, steht in China schon das Werk“, so Flöther.

In der schnelllebigen Branche habe der Schnellste den größten Vorteil. In diesem Jahr hat Flöther einen neuen Investor für Calyxo gefunden. Nach seiner Ansicht müssten hiesige Firmen als Systemanbieter agieren, die auch Serviceleistungen anbieten.

Den Weg hat Solarwatt eingeschlagen. Das Unternehmen hat inzwischen wieder 350 Mitarbeiter und plant weitere Einstellungen. In den kommenden Jahren wollen die Dresdner auch neue Technologien auf den Markt bringen. Neuhaus: „Es ist uns bewusst, dass wir immer ein paar Schritte voraus sein müssen.“ (mz)