Aktienhändler manipulierte Dow Jones Aktienhändler manipulierte Dow Jones: Der Mann, der die Wall Street das Fürchten lehrte

Berlin - Er sei ein stiller und unauffälliger Mensch, sagen Nachbarn, er fahre ein altes grünes Auto und komme aus einer guten Familie, die regelmäßig den Gottesdienst besucht. Viel mehr weiß man derzeit nicht über Navinder Singh Sarao, den Aktienhändler, der von seinem Zimmer im Londoner Stadtteil Hounslow aus vor fünf Jahren die Weltfinanzmärkte in Panik versetzte. Am Dienstag wurde Sarao verhaftet.
An der Börse in der New Yorker Wall Street erinnert man sich mit Schrecken an den 6. Mai 2010: Binnen Minuten rauschte der Aktienindex Dow Jones um 1000 Punkte in die Tiefe. Hunderte von Milliarden Dollar an Börsenwerten lösten sich in Luft auf – und waren plötzlich wieder da. Es war der Tag des „Flash Crash“, des Blitz-Absturzes.
Manipulation durch Computer-Programme
Jahrelang rätselten Experten und Wertpapieraufsicht, was die Ursachen für diesen geheimnisvollen Absturz gewesen sein mögen. Nun scheint man einen Schuldigen gefunden zu haben: Der 36jährige Sarao hatte laut Anklage jahrelang gängige Programme für den Aktienhandel auf seinem Computer installiert und sie anschließend umgeschrieben, um die Preisbewegungen an den Märkten zu manipulieren. Damit verdiente er laut US-Justizministerium zwischen 2010 und 2014 rund 40 Millionen Dollar.
Ziel von Saraos Geschäften war es, die Preise für Futures auf den US-Börsenindex S&P 500 künstlich nach unten zu treiben, um sie dann billig aufzukaufen und mit Gewinn zu verkaufen, so die Behörden. Futures sind Wetten auf die künftige Entwicklung des Börsenindex.
Spekulationen mit zukünftigen Gewinnen
Um die Märkte zu manipulieren, bediente sich der Brite laut Anklage relativ einfacher Techniken. So platzierte sein Computer laufend Verkaufsaufträge für die Futures. Sein Computerprogramm stornierte die Aufträge jedoch stets innerhalb von Sekundenbruchteilen, gab neue Verkaufsaufträge heraus und passte die geforderten Preise immer so an, dass sie leicht über den Preisen lagen, die Käufer bereit waren zu zahlen. Der Effekt: Ein Geschäft kam nie zustande, Sarao musste nie wirklich einen Handel eingehen. Gleichzeitig drückten seine massiven Verkaufsaufträge den Futures-Markt nach unten und Sarao konnte billig zugreifen.
Am 6. Mai 2010 drehte der Brite ein ganz großes Rad: Er platzierte Orders über hunderte von Millionen Dollar, laut US-Justizbehörden war er an diesem Tag für ein Fünftel aller Verkaufsaufträge auf S&P-Futures verantwortlich. Das drückte die Futures-Preise, daraufhin brach der US-Aktienmarkt – die Grundlage für den Futures-Markt – kurzzeitig ein. Die abstürzenden Aktienkurse führten dazu, dass andere Handelscomputer keine Aktien mehr kaufen wollten, was die Kurse weiter drückte. Erst als der Markt am Boden war, fingen automatisierte Handelssysteme anderer Investoren wieder an, Aktien zu kaufen. Der Flash-Crash war vorüber. Und Sarao hatte rund 900.000 Dollar verdient.
Die Episode wirft Licht auf einen Wertpapier-Handel, der zum größten Teil nur noch zwischen Computern abgewickelt wird – schließlich sind Programme schneller als jeder Mensch. Sarao, so betonen die US-Behörden, sei nicht allein für den Zusammenbruch der Kurse verantwortlich. Aber er habe zu den großen Ungleichgewichten beigetragen, die schließlich zum Flash Crash führten. Nun verlangen die USA seine Auslieferung. Auf Betrug und Wertpapier-Manipulation drohen in den USA Strafen von bis zu 25 Jahren Haft.
