Verbrechen Verbrechen: Kastelruther Spatzen suchen Mörder
Magdeburg - Und vielleicht ist ein Grund für seinen inneren Druck, dass er schließlich seinen jüngen Bruder Karl-Heinz überredet hat, bei den Kastelruther Spatzen einzusteigen, um für die Band das Management zu übernehmen. Auf jeden Fall fühlt sich Albin Gross, 53 Jahre, noch heute mitverantwortlich für das, was am 6. März 1998 in Magdeburg geschah: für einen Mord, der zehn Jahre danach ungeklärt ist.
Die "Kastelruther Spatzen" auf Tour - selten hat eine Band über Jahre so sehr Erfolg gehabt. Das Bild von den Bergen und von der heilen Welt fasziniert die Menschen schon immer. 100 Schallplatten sind inzwischen vergoldet, mehr als 15 Millionen Tonträger verkauft. Es ist ein hartes Geschäft jenseits der Bühne, und so sind die "Spatzen" ständig unterwegs. Am Abend des 5. März 1998 führt ein Aufritt die Band in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt. Die "Legende von Croderes" ist einer der Titel, die das Publikum dort feiert.
Ein Auto aus dem Tross ist defekt, und so bleibt Manager Karl-Heinz Gross am nächsten Morgen in Magdeburg zurück - der "Spatzen"-Tross zieht weiter nach Essen. Doch was in den folgenden Stunden in Magdeburg passiert, ist bis heute rätselhaft. Gross ist verärgert, weil die Reparatur des Kleinbusses, in dem die Fanartikel lagern, so lange dauert. Er geht in ein nahes Schnellrestaurant, er führt um 16.40 Uhr ein Telefonat. Um 17.08 Uhr geht von seinem Handy ein Anruf nach Südtirol ab - vier Sekunden lang ist das Schweigen in der Leitung. War es der Mörder? Denn Karl-Heinz Gross wird am selben Abend schwer verletzt auf einem abgelegenen Magdeburger Gelände - der so genannten "Steinkopfinsel" - gefunden. Er stirbt wenig später. Eine "schwere Rumpfquetschung" und eine "Schädelverletzung durch das Einschlagen mit einem harten Gegenstand" diagnostiziert die Magdeburger Rechtsmedizin.
Viele Jahre dauern die Ermittlungen der 30-köpfigen Soko "Spatzen" an - sie verlaufen bis heute erfolglos. "Warum hat er sterben müssen", fragt sich auch heute noch seine Schwester immer wieder. Auch der Sohn von Karl-Heinz Gross, Gabriel, ist noch immer fassungslos. "Das große Loch in der Familie wird bleiben", sagt er. Warum also diese Tat? Ein Motiv ist nicht zu erkennen. Die 7 000 Mark Bargeld sind noch bei dem Toten zu finden - ein Raubmord scheidet also aus.
Die Ermittler um Soko-Chef Harald Maier glauben unterdessen, dass es zwei Taten einer "Zufallsbekanntschaft" gewesen sind. Ihre These: Erst ist Gross von einem Fremden angefahren worden. Um diese Tat zu verdecken, ist er schließlich erschlagen worden. Ein Indiz: An den Schuhsohlen des Opfers findet sich kein Schlamm, was dafür spricht, dass der Ortsunkundige zum schlammigen Fundort gefahren und dort direkt abgeladen wurde.
Albin Gross, der nach all den Jahren das Geschehen nicht vergessen kann, setzt 100 000 Mark Belohnung aus, um den oder die Täter zu finden. Er trifft sich mit Informanten, die ihm Tipps zu den Tätern versprechen.
Es gibt viele, die ihm helfen. Dazu gehört auch die Münchener Filmemacherin Danuta Harrich, die die "Spatzen"-Familie aus Kastelruth seit fast acht Jahren kennt. "Bescheidene Leute und im Geschäft hochprofessionell", beschreibt sie die Musiker aus der Idylle Südtirols. Mehr als eineinhalb Jahre hat sie Albin Gross und seine Verwandten bei einer Spurensuche begleitet, die helfen soll, noch einmal Licht in das Dunkel zu bringen. Und sie hat daraus einen eindrucksvollen Film gedreht.
Es sind leise Szenen lauter Verzweiflung, beklemmende Sätze voller Ohnmacht. Und es sind Fragen, die die Angehörigen sich immer wieder stellen. Warum ist die Autowerkstatt in Magdeburg damals nicht sofort gesperrt worden, um mögliche Spuren zu sichern? Warum darf die Polizei auf Weisung der Staatsanwaltschaft plötzlich nichts mehr sagen? Und warum verlangt der Leitende Oberstaatsanwalt, dass die Angehörigen neue Indizien liefern, um die Ermittlungen wieder aufzunehmen?
Albin Gross, so viel ist klar, wird nicht aufgeben zu suchen. "Es ist sein Thema", ist sich Filmemacherin Danuta Harrich sicher. "Und er wird erst seine Ruhe wiederfinden, wenn er ein Ergebnis vorlegen kann."
"Die Kastelruther Spatzen und der ungeklärte Mord", 16. Dezember 2008, 22.05 Uhr, MDR-Fernsehen