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Urteil Urteil: Fluggastrechte beschnitten

Von Frank-Thomas Wenzel 21.08.2012, 17:49

Karlsruhe/MZ. - Reisende haben kein Recht auf Ausgleichszahlungen, wenn ihr Flug wegen eines Piloten-Streiks gestrichen wird. Das hat der Bundesgerichtshof am Dienstag entschieden. Nach Ansicht von Sabine Fischer-Volk, Reiserechtsexpertin der Verbraucherzentrale Brandenburg, schwächt das Urteil massiv die Position der Verbraucher. Die Lufthansa hingegen begrüßte die Entscheidung in letzter Instanz.

Mehrere Lufthansa-Passagiere waren vor Gericht gezogen. Im Februar und März 2010 waren deren Flüge von Miami zurück nach Deutschland annulliert worden. Die Reisenden beriefen sich bei ihrer Klage auf die europäische Verordnung über Fluggastrechte, die seit 2005 in Kraft ist. Darin ist geregelt, dass die Airlines verpflichtet sind, bei Absagen von Flügen die Passagiere zu betreuen, dass ihnen unter anderem notfalls auch Hotelzimmer kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Höchstbetrag erreicht 600 Euro

Bei der Annullierung von Flügen, kann der Kunde zudem auswählen, ob er sich kostenlos zum Abflugort zurückfliegen, sich mit andere Verkehrsmitteln ans Zielort bringen oder sich den Ticketpreis erstatten lässt. Darüber hinaus muss die Airline Entschädigungen zahlen, die gestaffelt sind. Der Höchstbetrag liegt bei 600 Euro - Passagiere können dies fordern, wenn die Flugstrecke länger als 3 500 Kilometer ist und wenn sich die Beförderung durch die Annullierung um mehr als vier Stunden verspätet. Genau darum ging es in dem Fall, der jetzt vor dem BGH verhandelt wurde. Die Flüge von Miami aus waren gestrichen worden. Die Lufthansa zahlte den Fluggästen Hotel und Verpflegung. Sie wurden dann auf andere Flieger umgebucht, kamen mit mehreren Tagen Verspätung zu Hause an.

Die Airline verweigerte die Ausgleichszahlungen mit dem Hinweis auf Ausnahmeregelungen. Die legen fest, dass bei "außergewöhnlichen Umständen" die Entschädigungen entfallen können. Dieses Verhalten der Lufthansa ist nach Auskunft der Reiserechtsanwältin Silke Engels-Siebert eine der Standardreaktionen von Airlines auf Schadenersatzforderungen: "Um Ansprüche abzuwehren, werden sehr häufig alle möglichen außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht." Auch eher fadenscheinige, wie Schneefall oder kleinere technische Defekte. Streiks werden in der Richtlinie ausdrücklich, aber nur pauschal erwähnt. Unklar war bislang, ob das auch für Ausstände von eigenem Personal gilt.

Verweis auf Tarifautonomie

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes ist die Sache eindeutig: Auch solche Arbeitskämpfe wirkten quasi von außen auf die Fluggesellschaft ein, sie seien deshalb von den Unternehmen nicht beherrschbar. Denn die Entscheidung für Streiks werde im Rahmen der Tarifautonomie getroffen.

"Wir begrüßen, dass das Gericht nun diese Klarstellung getroffen hat", sagte ein Lufthansa-Sprecher. "Ansonsten wären unverhältnismäßig hohe Belastungen auf uns zugekommen." Engels-Siebert hingegen ist der Ansicht, dass das Gericht es sich mit dem Verweis auf die Tarifautonomie sehr einfach gemacht habe: "Man geht davon aus, dass die Piloten von der Gewerkschaft ferngesteuert werden." Tatsächlich aber gebe es bei Tarifkonflikten auf beiden Seiten zahlreiche Handlungsmöglichkeiten, um Annullierungen zu vermeiden. Auch für Fischer-Volk zieht das Argument, dass ein Streik nicht beherrschbar sei, nur bei Beschäftigten, die nicht zur Airline gehören - wie Fluglotsen.

Ein Streik der eigenen Piloten komme für eine Fluglinie hingegen nicht aus heiterem Himmel. So etwas bahne sich in den Tarif-Verhandlungen in der Regel über mehrere Tage an. Deshalb könne die Airline rechtzeitig Vorkehrungen treffen, um Annullierungen zu verhindern.

Die Aktenzeichen: XZR 138 / 11 und XZR 146 / 11