Verkehr und Umweltschutz Verkehr und Umweltschutz: Chef des Umweltbundesamts fordert 120 Km/h auf Autobahnen

Berlin/dpa. - Auf deutschen Autobahnen wird es auch auf absehbareZeit kein Tempolimit 120 geben. Verkehrsminister Wolfgang Tiefenseeund Umweltminister Sigmar Gabriel (beide SPD) wiesen am Donnerstag inBerlin den Vorstoß des Umweltbundesamts (UBA) für eine solcheGeschwindigkeitsbegrenzung strikt zurück. Das Thema stehe nicht aufder Tagesordnung und sei «klimapolitisch nicht geboten», sagte einSprecher des Umweltressorts, dem das Umweltbundesamt untersteht.Tiefensee sagte: «Ich bin gegen ein generelles Tempolimit.» UBA-Präsident Andreas Troge hatte ein Tempolimit 120 als wichtigenBeitrag für den Klimaschutz bezeichnet. Deutschland ist das einzigeLand in Europa ohne generelle Geschwindigkeitsbegrenzung aufAutobahnen.
Gabriels Sprecher sagte, die mit einem Tempolimit erreichbareReduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes sei im Vergleich zu anderenMaßnahmen marginal. Tiefensee erklärte, auf fast 40 Prozent derAutobahnen gebe es bereits Beschränkungen. Statt auf ein generellesTempolimit setze er auf weitere Innovationen bei Kraftstoffen,Motoren und Antrieben. Der Verkehrs- und Haushaltsbereich erfülleseine Klimaschutzvorgaben schon heute. «Er hat mit einer Minderungvon 15 Millionen Tonnen bereits einen höheren Beitrag übernommen alsdie Energiewirtschaft.» Auch die Automobilclubs ADAC, AvD und ACE unddie deutsche Automobilindustrie nannten ein Tempolimit nutzlos.
«Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stundelässt sich der Kohlendioxid-Ausstoß um 10 bis 30 Prozent reduzieren»,sagte Troge der «Berliner Zeitung». Aus Sicht des Umweltbundesamtesmuss im Verkehrsbereich mehr geschehen, damit die EU und Deutschlandihre Klimaschutzziele erreichen. «In den vergangenen Jahren ist auchbei uns der Abbau von Treibhausgasen ins Stocken geraten», sagteTroge. Der Spritverbrauch neu zugelassener Autos müsse deutlichsinken. «Statt Energie sparende Motoren zu entwickeln baut dieIndustrie Wagen mit der Leistung mehrerer Kavallerie-Regimenter unterder Motorhaube.»
Nötig sei auch eine bessere Kennzeichnung, damit sich Autofahrergenauer über den Benzinverbrauch informieren könnten. Troge fordertezudem die Einführung einer Flugbenzin-Steuer und die Erhöhung derAutobahn-Maut für Lastwagen von 12,5 auf 30 Cent pro Kilometer. EinTempolimit senke zudem die Unfallgefahr und führe zu weniger Staus.
Die Grünen begrüßten den Vorstoß. Parteichef Reinhard Bütikofersagte der «Berliner Zeitung»: «Ein Tempolimit auf Bundesautobahnenist nachweislich ein wirksames Instrument der Emissionsminderung.» Erfreue sich, dass das Umweltbundesamt dieses Thema aufgreife.«Klimaschutz muss endlich ganz praktisch in der Verkehrspolitikankommen», sagte Bütikofer.
Auch die Deutsche Umwelthilfe unterstützte Troge. «Das musseinfach kommen», sagte Geschäftsführer Jürgen Resch dem «KölnerStadt-Anzeiger» (Freitag). Das Fehlen eines Tempolimits führe «geradeim deutschen Automobilbau zu völligen Fehlentwicklungen». DerUmweltforscher Thomas Saretzki von der Universität Lüneburg sagte derdpa: «Wenn die Leute ihr Fahrzeug nicht mehr ausfahren können, würdensie vielleicht zu Modellen mit kleineren und sparsameren Motorengreifen.»
ADAC-Präsident Peter Meyer sagte der «Bild»-Zeitung (Freitag):«Tempo 120 ist ein alberner Vorschlag aus der ideologischenKlamottenkiste.» Das Durchschnittstempo auf den Autobahnen liegebereits deutlich unter 120. «Für die Sicherheit und die Umwelt bringtein Tempolimit also überhaupt nichts.» Der Automobilclub vonDeutschland (AvD) erklärte, auf weniger als 20 Prozent der Autobahnengelte freie Fahrt. Eine Verringerung des CO2-Ausstoßes um 10 bis 30Prozent sei nicht möglich, sagte AvD-Sprecher Johannes Hübner inFrankfurt. Ein Tempolimit würde den Verkehr bremsen und dadurch zumehr Staus und Unfällen führen. Der ACE in Stuttgart befürworteteflexible Höchstgeschwindigkeiten, die sich streng an Erfordernisseder Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes orientieren.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) wehrte sich gegen dieVorwürfe Troges. Die Autoindustrie habe in den vergangenen Jahren beiNeuwagen den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch um 25 Prozentgesenkt, erklärte der Verband in Frankfurt. Seit 1999 seien dadurchim Straßenverkehr 15 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden.