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Tourismusverbandschef mit Doppel-Amt Tourismusverbandschef mit Doppel-Amt: CDU-Abgeordneter will mehr Geld für Tourismus

Von Jan Schumann 15.11.2018, 11:00
Die Harzer Schmalspurbahnen gehören zu den touristischen Attraktionen Sachsen-Anhalts.
Die Harzer Schmalspurbahnen gehören zu den touristischen Attraktionen Sachsen-Anhalts. dpa

Magdeburg - Jeder Euro, den Sachsen-Anhalt ausgibt, muss hier abgesegnet werden: im Finanzausschuss des Landtages. Wer hier sitzt, hat Macht. Denn vom Polizeirevier über Breitbandgelder bis zur Herzklinik muss jedes Projekt an diesen zwölf Abgeordneten vorbei.

Am vergangenen Freitag sichten die Mitglieder einen Gast im Ausschuss: Lars Jörn Zimmer. Er ist nicht nur CDU-Abgeordneter, sondern auch Chef des Tourismusverbands Sachsen-Anhalt. Auch für ihn geht es an dem Tag um viel Geld: Kurzfristig hat die Koalition aus CDU, SPD und Grünen eine Aufstockung der Tourismusförderung um 1,4 Millionen Euro auf 2,1 Millionen für das Jahr 2019 beantragt. Und einer würde in dem Geldregen besonders gut wegkommen: Zimmer.

Denn sein Landestourismusverband soll 600.000 Euro zusätzlich bekommen - beinahe eine Vervierfachung der Förderung. Ein wichtiges Gremium im Landtag hat bereits zugestimmt - der Wirtschaftsausschuss. Dessen Chef: Lars Jörn Zimmer.

Geldspritze gestoppt - Zimmer verlässt Sitzung

Doch im Finanzausschuss wird die Geldspritze vorerst gestoppt. Der Vorsitzende Olaf Meister (Grüne) nimmt den Antrag von der Tagesordnung und vertagt die Diskussion auf die finalen Sitzungen der aktuellen Haushaltsverhandlungen für 2019. Kommentieren will Meister das derzeit nicht, außer:

„Es besteht noch Gesprächsbedarf in der Koalition.“ Für Rambo-Taktiken ist der grüne Ausschusschef und Rechtsanwalt freilich nicht bekannt, er gilt als sachlich. Doch seinem Ausschusschef-Kollegen Zimmer tut er am Freitag keinen Gefallen: Als der Antrag von der Tagesordnung fliegt, verlässt Zimmer den Raum, schildern Abgeordnete.

Der Tourismus-Chef - seit 2008 im Amt - schimpft nun gegenüber der MZ über die „recht merkwürdige“ Entscheidung. Zimmers Deutung: Die Grünen blockieren in den laufenden Haushaltsverhandlungen Projekte der Koalition, um eigene Finanzwünsche für das Umweltministerium durchzudrücken. „Das ist kein guter Stil, wenn der kleine Koalitionspartner andere Projekte in Geiselhaft nimmt“, betont Zimmer. Er sei aber „noch optimistisch“, dass sich das Problem bis Dezember löse.

Innerhalb weniger Tage sind zum zweiten Mal Haushaltsgespräche für 2019 im Landtag geplatzt. Am Mittwoch vertagten die Fraktionen die Beratung des Budgets für das Landes-Verkehrsministerium. Grund sind große Unstimmigkeiten in der Koalition aus CDU, SPD und Grünen, wie das Geld verplant wird. Aus dem gleichen Grund waren bereits vor einer Woche Gespräche über den Landwirtschaftshaushalt vertagt worden. CDU- und SPD-Kreise sticheln, die Grünen würden in den Verhandlungen gezielt taktische Blockaden aufbauen, um notwendiges, aber teures Zusatzpersonal im eigenen Forstbereich zugestanden zu bekommen. Die Grünen wiederum sagen, einige Finanzplanungen der CDU gehen ihnen zu weit. Bis zum Dezember soll der Haushalt stehen. Die Linke kritisierte gestern, CDU und Grüne würden sich im Kampf um Gelder „gegenseitig erpressen“. So würden gründliche Haushaltsberatungen behindert und das Fragerecht der Opposition beschnitten.

Zimmers Doppelrolle fragwürdig

Während Ausschusschef Meister vorerst nichts zu den Verhandlungen sagt, haben andere Abgeordnete eine klare Meinung zu Zimmers Doppelrolle und dem Finanzzuwachs im Tourismus. „Das ist zumindest fragwürdig“, sagt Kristin Heiß, Haushaltspolitikerin der Linken. Die geplante Vervierfachung der Zuschüsse für den Tourismusverband ohne konkrete inhaltliche Begründung sei „höchst befremdlich und intransparent“.

Mit Blick auf Extra-Zuschüsse in Höhe von 1,4 Millionen Euro konstatiert sie zudem: „Während in zahlreichen anderen Bereichen das Geld fehlt und um jeden Euro gerungen wird, gönnt die Landesregierung hier einem Lobby-Verband eine millionenschwere staatliche Förderung ohne erkennbare Untersetzung. Das ist nicht nachvollziehbar“ - die Begründung dafür sehe sie nicht.

Zimmer: Wir müssen Geld in die Hand nehmen

An dieser Stelle widersprechen CDU und SPD. Der Tourismusbereich sei seit Jahren finanziell zu schwach ausgestattet. „Andere Länder investieren da richtig viel“, sagt Zimmer. „Wenn wir gut bleiben wollen, müssen wir Geld in die Hand nehmen und auf dem Markt präsent bleiben.“

Bestehende Vorzeigeprojekte wie die Straße der Romanik, der Radtourismus und die Luther-Stätten müssten weiter gepflegt und beworben werden. „Es geht uns aber auch um Nischenprodukte, die bisher nicht so präsent sind“, sagt Zimmer, „etwa Kurorte und Heilbäder“.

Weil das Landes-Wirtschaftsministerium dies ähnlich sieht, hat es für 2019 bereits eine halbe Million Euro mehr für die Investitions- und Marketinggesellschaft (IMG) angemeldet, die das überregionale und internationale Marketinggeschäft regelt. Es geht um höhere Personalausgaben, mehr „Image- und Standortmarketing“ , Tourismusarbeit und mehr Geld zur Investorenakquise. Allerdings: Das strittige Zusatzgeld für den Tourismusverband war nicht Teil des Ministeriumsplans.

Vertagt auf Dezember

Und Zimmer? Bestreitet jeglichen Interessenkonflikt, den die Linke unterstellt. „Ich wüsste nicht, wo der liegen sollte. Herr Zimmer hat doch persönlich nichts davon, wenn mehr Geld an den Tourismusverband fließt“, sagt der CDU-Mann über sich. „Dann könnte sich kein Abgeordneter mehr engagieren.“ Die finalen Verhandlungsrunden über den Etat 2019 - voraussichtlich auch über die Tourismusgelder - sollen nun im Dezember laufen. (mz)