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Todesursache unklar Todesursache unklar: Matthias Domaschk starb nach Stasi-Verhören

18.04.2016, 04:23
Blick auf das Buch «Matthias Domaschk und der Jenaer Widerstand» von Freya Klier
Blick auf das Buch «Matthias Domaschk und der Jenaer Widerstand» von Freya Klier dpa

Gera/Jena - Die Todesursache des 1981 im Geraer Stasi-Gefängnis ums Leben gekommenen Dissidenten Matthias Domaschk aus Jena bleibt unklar. Vor wenigen Tagen hatte eine von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) initiierte Arbeitsgruppe eine Selbsttötung, wie sie die Stasi damals verkündete, in ihrem vorläufigen Bericht nahezu ausgeschlossen. Dem widersprachen in einem Bericht des MDR Thüringen vom Samstag die beiden Rechtsmediziner, die Domaschk damals in der Universität Jena obduzierten hatten. Sie hätten bei dem 23-Jährigen nach dessen Tod keine Anzeichen von physischer Gewaltanwendung durch Dritte festgestellt, erklärten sie.

Domaschk hatte zur oppositionellen Gruppe der Jungen Gemeinde in Jena gehört, gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns protestiert und Kontakt zur Bürgerrechtsbewegung „Charta 77“ in Prag. Er war am 12. April 1981 in der MfS-Untersuchungshaftanstalt unter bislang ungeklärten Umständen nach Verhören der Stasi gestorben. Anfang der 1990er Jahre waren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen mangelnder Beweise eingestellt worden.

„Da war rechtsmedizinisch keine Fremdeinwirkung nachweisbar“, sagte der damalige Mitarbeiter am Institut für Gerichtliche Medizin, Sascha Rommeiß, dem MDR. Bei der Obduktion hätten sie Strangmerkmale am Hals des Toten gefunden, die nach Aussage des damaligen Oberarztes Manfred Disse typisch für ein Erhängen mit einem Kleidungsstück anstelle eines Stricks seien. Auch ein Fehlen von Wirbelbrüchen sei normal.

Die Aussagen des damaligen Arztes

Der Rechtsmediziner räumte ein, dass er ein Fremdeinwirken zwar nicht 100-prozentig ausschließen könne, das könne man aber grundsätzlich in solchen Fällen nicht. Rommeiß ergänzte: Es habe weder Hinweise auf Würgen, noch auf Drosseln, noch auf andere Dinge gegeben. Auch eine Untersuchung auf Gifte habe nichts ergeben. Es müsse davon ausgegangen werden müsse, dass die Handlungsfähigkeit von Domaschk zum Zeitpunkt des Todes nicht beeinträchtigt war. „Wenn er gewaltsam gehängt worden wäre, hätte er sich sicherlich gewehrt“, so Rommeiß.

„Wir waren keine Mitarbeiter der Staatssicherheit, noch waren wir ihr unterstellt“, erklärte er dem MDR. „Man hat auch, ich hab's zumindest nicht registrieren können, in keiner Weise Druck auf uns ausgeübt.“ Sie hätten die erhobenen Befunde dokumentiert.

Die Arbeitsgruppe der Landesregierung geht in ihrer Erklärung zum 35. Todestag Domaschks davon aus, dass der Suizid eine „Legende“ der Stasi sei, um die wahren Todesumstände zu verschleiern. „Die Fakten deuten eher auf einen „Unfall“ mit Todesfolge und nachgestelltem Suizid oder auf eine „ungewollte“ Gewalthandlung durch MfS-Mitarbeiter hin, in deren Folge Matthias Domaschk zu Tode kam“, heißt es in dem Zwischenbericht.

Die Stasi-Akten selbst hätten sich als sehr widersprüchlich erwiesen und seien offensichtlich manipuliert worden. Es seien dringend Zeugengespräche mit ehemaligen Mitarbeitern des MfS nötig. Am Samstagnachmittag wurde am Grab von Domaschk auf dem Jenaer Nordfriedhof an seinen Todestag erinnert. (dpa)