Sterbehilfe Sterbehilfe: Mit der «Selbsttötungsmaschine» in den Tod

Hamburg/dpa. - : In die Diskussionen um einen würdigen Umgangmit dem Freitod platzt nun ein Hamburger Politiker mit derVorstellung einer «Selbsttötungsmaschine». Damit dürfte er den Streitum Sterbehilfe zumindest in Deutschland wieder neu entfachen. Das vomfrüheren Hamburger Justizsenator und Ex-CDU- Mitglied Roger Kuschentworfene Gerät funktioniert nach dem Muster der ebenfallsumstrittenen Giftspritze in den USA.
Den Auslöser der Selbsttötungsmaschine muss der Patient selbstbetätigen - aus rechtlichen Gründen. Denn aktive Sterbehilfe ist inDeutschland verboten. Wird der Knopf gedrückt, setzt sich der Motordes kleinen grünen Automaten in Bewegung. Ein Metallteil drückt gegenzwei gefüllte Spritzen. Zuerst läuft ein Narkotikum in die Vene, umdas Bewusstsein zu dämpfen. Dann folgt das tödliche Kaliumchlorid.Spätestens nach vier Minuten soll der Patient tot sein.
Einen «assistierten Suizid bei einem voll zurechnungsfähigenSterbewilligen» nennt Kusch das. Er will, dass Todkranke nicht mehrzum Sterben in die Schweiz fahren müssen, wie er sagt. Laut SchweizerSterbehilfe-Organisation Dignitas sollen es im Jahr 2006 etwa 120Sterbewillige aus Deutschland gewesen sein. Erst kürzlich drangenallerdings Horrormeldungen über grausame Sterbehilfe-Methoden aus derSchweiz an die Öffentlichkeit.
Die mit einem Ableger auch in Deutschland vertretende SchweizerSterbehilfe-Organisation soll Sterbewilligen mit dem Gas Helium beimSterben geholfen haben. Der Staatsanwaltschaft liegen nach Berichteneines Anwaltes Videos vor, auf denen Sterbende sich eine gasgefülltePlastiktüte über den Kopf ziehen und «mehrere zehn Minutenlang» zuckend bewegen, bis sie reglos zusammensacken. In der Schweizist es nicht verboten, Sterbewilligen beim Freitod zu helfen.
Aufregung und Diskussionen, wie weit Hilfe beim Sterben gehendarf, gibt es auch in anderen europäischen Ländern - meist ausgelöstdurch spektakuläre Fälle, wie der von einem Krebsgeschwür entstelltenChantal Sébire in Frankreich. Die 52-Jährige wollte nur noch«würdevoll sterben». Selbstmord lehnte sie ab. Da in Frankreichaktive Sterbehilfe verboten ist, untersagte ein Gericht einem Arzt,ihr eine tödliche Medikamentendosis zu verabreichen. Zwei Tage späterwar Sébire tot. Ob sie sich selbst mit Medikamenten das Leben nahmoder Hilfe bekam, blieb unklar.
Als erstes europäisches Land hatten die Niederlande 2002 erlaubt,dass Ärzte unheilbar Kranken beim Sterben helfen dürfen, wenigeMonate später folgte Belgien. Doch auch in Belgien ist jüngst - seitdem Tod des Schriftstellers Hugo Claus, der wegen einer Alzheimer-Erkrankung den Freitod wählte - ein heftiger Streit um eineAusweitung des Sterbehilfegesetzes entbrannt. Liberale Politikerfordern, dass unheilbar kranke Kinder und altersverwirrte Menschenauf Wunsch ebenfalls Unterstützung beim Sterben erhalten sollen.
Nicht verwunderlich ist ein absolutes Verbot von Sterbehilfe imkatholischen Italien. Immer wieder macht der Vatikan gegen Euthanasiemobil. Zu einem Eklat kam es im Jahr 2006. Ein Arzt stellte demunheilbar kranken Piergiorio Welby - nach 40 Jahren fortschreitendenMuskelschwundes konnte er sich nur noch mit den Augen verständlichmachen - das Beatmungsgerät ab. Daraufhin verweigerte die Kirche demToten eine religiöse Begräbniszeremonie.
In Spanien und in Polen können Sterbehelfer trotz eines generellenSterbehilfeverbotes auf ein milderes Urteil hoffen, wenn der Patientzuvor schwer leiden musste und der Helfer sich von Mitleid für einenleidenden Patienten leiten ließ. Andalusiens Regionalregierung hatte2007 nach Jahren erbitterten Rechtsstreits sogar einem Sterbewunschnachgegeben - trotz des nationalen Verbotes.
Praktische Hilfe für Leidende statt theoretischer Diskussionenwill Ex-Senator Kusch leisten, wie er bei der Vorstellung seinesTötungsapparates in Hamburg sagte. Schließlich wolle er unheilbarkranke Menschen von ihrem unsäglichen Leiden befreien. Allerdingsmüsse vor einem Einsatz des Gerätes ein Arzt ein Gutachten erstellen,das drei Dinge bestätigt: Dass der Patient todkrank ist, dass er denSterbewunsch bei vollem Bewusstsein äußert und dass er sich mitAlternativen zum Suizid beschäftigt hat.
Beim ersten Mal, wenn statt wie beim Pressetermin Möhrensaft undWasser dann Narkotikum und Gift durch die Schläuche rinnen, will derErfinder dabei sein und das Sterben filmen. Seinen Angaben zufolge,damit niemand ihm vorwerfen könne, er habe selbst den Knopf gedrückt.Denn nach deutschem Recht wird «Tötung auf Verlangen» mit bis zu fünfJahren Haft bestraft. Straflos ist nur die Beihilfe zum Suizid.