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Sachsen Sachsen: Überschattetes Gedenken

Von ALEXANDER SCHIERHOLZ 05.02.2010, 19:00

DRESDEN/MZ. - "Damit die Nazis wenigstens hier nicht Halt machen können."

Am 13. Februar jährt sich zum 65. Mal die Zerstörung Dresdens durch alliierte Bomber im Zweiten Weltkrieg. Die Polizei bereitet sich auf einen der größten Einsätze in Sachsen seit der Wende vor, um die erwarteten mindestens 6 500 Rechtsextremisten und mehreren tausend linken Gegendemonstranten, darunter bis zu 2 000 gewaltbereite Autonome, in Schach zu halten. Mehr als 4 000 Polizisten sollen Ausschreitungen zwischen Rechten und Linken verhindern.

Unterdessen hat sich breiter Widerstand gegen den Neonazi-Aufmarsch formiert - in der Stadt und darüber hinaus. So ruft Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) zu einer 1,5 Kilometer langen Menschenkette quer durch die Altstadt auf, die das Zentrum wie ein symbolischer Wall vor Rechten schützen soll.

Eine bundesweite Initiative von Prominenten aus Politik, Kirche, Kultur und Wissenschaft lädt in der Tradition der DDR-Protestbewegung zu einem Friedensgebet ein. Es soll nacheinander an verschiedenen Stationen, darunter der Frauenkirche, in der Innenstadt abgehalten werden und in die Menschenkette münden.

"Wir halten öffentlich sicht- und hörbaren Widerstand gegen extrem rechte Dominanzbestrebungen und Aufmärsche für unverzichtbar, um deutlich zu machen, dass diese gesellschaftlich zu ächten sind", heißt es in dem Aufruf für das Friedensgebet.

Unterzeichnet haben ihn unter anderem Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), der sächsische Landesbischof Jochen Bohl, der Präsident der Akademie der Künste in Berlin, Klaus Staeck, sowie der ehemalige Regierungssprecher und Vorsitzende des Vereins "Gesicht zeigen", Uwe-Karsten Heye. Heye hatte vor vier Jahren vor "No-go-Areas" in Ostdeutschland gewarnt und damit eine Debatte über die alltäglichen Risiken von Migranten ausgelöst.

Der rechte Aufmarsch und die befürchteten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken überschatten das Gedenken der Dresdner an die Bombennacht. Zwar gibt es Konzerte und einen Friedensgottesdienst, auf dem Heidefriedhof wird mit einer Kranzniederlegung der Toten gedacht. "Da hat sich auch die NPD immer eingereiht", sagt Hildegart Stellmacher von der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, "das macht das Gedenken an den 13. Februar so schwierig." Den Rechtsextremisten sei es in den vergangenen Jahren erstaunlich gut gelungen, das Thema für sich zu vereinnahmen.

Warum? "Viele Lokalpolitiker und Bürger haben über Jahre weggesehen, in der Hoffnung, dass der braune Spuk von alleine verschwindet", beklagt Stellmacher. "Aber es wurde immer nur schlimmer." Und nach wie vor sorgten sich viele in erster Linie um das städtische Image, darum, dass im Ausland wieder Bilder von in Deutschland marschierenden Nazis zu sehen seien.

Allerdings: Der auch von allen Fraktionen im Dresdner Stadtrat unterzeichnete Aufruf zur Menschenkette distanziert sich deutlich von braunen Umtrieben. "Da hat die Oberbürgermeisterin ein Zeichen gesetzt", räumt Stellmacher ein. "Wir wehren uns gegen Revanchismus, Völkerverhetzung und Gewaltpropaganda", heißt es in dem Aufruf. Erinnert wird in dem Papier auch an die Vorgeschichte der Bombardierung, "insbesondere an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und das Verbrechen des von Deutschland ausgegangenen Krieges".

Es ist genau diese Vorgeschichte, die nicht in das krude Weltbild der Rechten passt und folglich von ihnen verschwiegen wird. Ein Grund mehr für Hildegart Stellmacher, auch in diesem Jahr wieder vor der Synagoge den Neonazis die Stirn zu bieten.