Nato-Gipfel Nato-Gipfel: Ruhe in Baden, Brodeln in Straßburg
Straßburg/Baden-Baden/dpa. - Viele kriechen erst gegen Mittag schlaftrunken aus ihrenZelten. Andere bereiten bereits das Mittagessen vor: Auf klapprigen,improvisierten Campingtischen schneiden sie Zwiebeln, Lauch undTomaten. Doch ihre Gedanken sind längst anderswo. Die rund 3000Pazifisten, Kommunisten, Anarchisten und Feministen rüsten sich fürihre Aktionen in Kehl und Straßburg an diesem Samstag - dann wollensie das Treffen der Staats- und Regierungschefs zum 60. Jubiläum desMilitärbündnisses stören.
In Baden-Baden ging es am Freitag außerordentlich friedlich zu.Nur etwa 500 NATO-Gegner protestierten zunächst ohne Zwischenfällegegen das Militärbündnis. Das massive Polizeiaufgebot habe dieDemonstranten abgeschreckt, kritisierte Monty Schädel, einer derProtest-Organisatoren. «Das ist kein Zeichen der Schwäche derFriedensbewegung, sondern es zeigt, dass die Polizeirepression imVorfeld gewirkt hat und viele Demonstranten sich haben abschreckenlassen.»
Auch könnte ein «Obama-Faktor» Grund für die spärliche Zahl vonDemonstranten auf deutscher Seite sein. Diese These stellte derFreiburger Politikwissenschaftler Ulrich Eith auf. Denn US-PräsidentBarack Obama rede mehr von internationaler Zusammenarbeit als vonmilitärischen Konfliktlösungen. «Möglicherweise denkt der eine oderandere, dass es mit dem neuen Präsidenten besser geht» undprotestiere deshalb nicht, mutmaßt der Professor.
Animierte Grafik: Hintergründe zur Nato
In Straßburg sah das Bild ein wenig anders aus: WährendPolizeihubschrauber über dem Zeltlager am südlichen Stadtrandkreisen, diskutieren die Camp-Bewohner über die gewalttätigenAuseinandersetzungen mit der Polizei vom Vorabend: Mehr als 300Gipfelgegner wurden da festgenommen.
Auf französischer Seite stehen die Zeichen auf Eskalation. Dafürmachen Sprecher der Protestbewegung die Behörden verantwortlich, dieden Demonstranten den Zugang in die Straßburger Innenstadtverweigern. «Wir sind nicht damit einverstanden, dass Kritikausgesperrt werden soll. Aber es ist bezeichnend für diesesKriegsbündnis», sagt Christoph Kleine, Sprecher des Block NATO. DieGruppierung will den Gipfel friedlich verzögern, indem mehr alstausend Demonstranten am frühen Vormittag die Zufahrtsstraßen mitihren Körpern blockieren.
Zusammenstöße mit der Polizei wollen die Aktivisten des Block NATOzwar vermeiden, sagt Kleine. Aber er betont auch: «Der Verlauf derDemo wird ganz stark vom Verhalten der Polizei abhängen: Wir werdenin die Innenstadt ziehen und es den Ordnungskräften nicht erlauben,uns zu stoppen.» Zusammenstöße sind damit vorprogrammiert: Rund10 000 Ordnungskräfte sind im Einsatz, um den Gipfel abzuschirmen.Frankreichs Innenministerin Michèle Alliot-Marie spricht von dergrößten Operation der französischen Sicherheitskräfte seit demG8-Treffen 2003 in Evian. Schon am Freitag ist die Innenstadtabgeriegelt, die Straßen sind wie ausgestorben.
Einen Tag vor Gipfelbeginn hatte es am Donnerstag in StraßburgKrawalle gegeben. Polizei und Militärs versperrten einem Zug von rund600 Aktivisten den Weg von ihrem Camp in die Innenstadt. «Das istverboten, und wir müssen die Demonstranten daran hindern», begründetein Polizeisprecher den Einsatz von Tränengas undBlendschockgranaten. Die vielfach schwarz gekleideten und teilweisevermummten Demonstranten reagierten auf die Blockade mit Gewalt: Siesetzten Mülleimer in Brand, warfen Steine auf eine Kaserne, schlugenFensterscheiben ein und griffen ein Fahrzeug des Militärs an.
Die Zusammenstöße sind möglicherweise ein Vorgeschmack auf diesenSamstag. Dann wollen bis zu 60 000 Menschen werden gegen den Gipfeldemonstrieren, den sie als «illegitimes Treffen von Kriegstreibern»verstehen.
