Naserümpfen einkalkuliert Naserümpfen einkalkuliert: Menschenrechte bleiben Merkels Thema
Berlin/dpa. - AmRande des UN-Klimagipfels und der UN-Generalversammlung trifft siezwar zahlreiche Staats- und Regierungschefs, ein chinesischerPolitiker ist aber nicht darunter. Das ist keine Brüskierung derKanzlerin: Die chinesische Führung bereitet sich in Peking auf denParteitag der Kommunistischen Partei Chinas in wenigen Tagen vor.
Bemerkenswert ist allerdings, dass das traditionelle Frühstückzwischen dem chinesischen Außenminister Yang Jiechi und seinemdeutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier in der UN-Woche - seitJahrzehnten gepflegt und für Mitte der Woche geplant - von PekingerSeite abgesagt wurde. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes nannte inder Bundespressekonferenz «terminliche Gründe» - zu anderenSpekulationen wollte er sich öffentlich nicht äußern. Die wahrenGründe scheinen aber auf der Hand zu liegen.
Schadensbegrenzung wurde auch vom außenpolitischen KanzlerberaterChristoph Heusgen geübt: In einem Telefongespräch mit demchinesischen Botschafter in Berlin, Ma Canrong, drückte er ungeachtetder Verstimmung den Wunsch nach weiterhin guten Beziehungen aus. Derstellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg wies noch einmaldarauf hin, dass es keine Änderung in der deutschen China-Politikgeben und dass davon ausgegangen werde, dass die guten Kontakteausgebaut werden könnten.
Entsprechende Signale hatte auch die Kanzlerin auf ihrem Weg nachNew York erhalten: Es wird keine Eiszeit zwischen Peking und Berlinausbrechen. Seit Beginn ihrer Kanzlerschaft hat Merkel immer wiederauf ihren Auslandsreisen die Menschenrechte zum Thema gemacht. In«freundlichem, aber bestimmtem Ton», so Mitglieder ihrer Delegation,zuletzt auch bei der China-Reise im August. Stets sprach sie ihreGesprächspartner direkt auf die Einhaltung von Bürgerrechten an.
Bei ihrer ersten Reise als Kanzlerin nach Washington im Januar2006 äußerte Merkel gegenüber US-Präsident George W. Bush ihreÜberzeugung, dass das umstrittene US-Gefangenenlager Guantánamo aufKuba geschlossen werden müsse. Nach ihrem ersten Gespräch mit demrussischen Präsidenten Wladimir Putin im Kreml traf sie sichdemonstrativ mit Vertretern der russischen Zivilgesellschaft, unteranderem mit Müttern von in Tschetschenien getöteten Soldaten.
Schon bei ihrer ersten China-Reise im Mai 2006 fragte Merkel dieStaats- und Parteiführung nach dem Stand der Menschenrechte undsuchte anschließend den Kontakt mit Personen, die sich für dasSchicksal der Wanderarbeiter einsetzen. Nach einem Gespräch mit vierchinesischen Medienvertretern brachte sie im Anschluss eine Bittebeim chinesischen Parlamentspräsidenten vor, ein Mediengesetz zuschaffen, das die Rechte der Journalisten in der Volksrepublikerstmals festschreiben soll.
Dass ihre Gastgeber, insbesondere in Moskau und Peking, über dieseKontakte nicht erfreut waren und zum Teil deutlich die Nase rümpften,nahm Merkel in Kauf. Die Kanzlerin hat deutlich gemacht, dass sichihre Gesprächspartner darauf einstellen müssen, dass sie auch heiklePunkte anspricht.
Für die Bundesregierung besteht kein Zweifel, dass sich durch dieEinlassung der Kanzlerin in Sachen Menschenrechte - sei es in Pekingoder Moskau - an den Wirtschaftsbeziehungen nichts Gravierendesändern wird. Heute kann die Kanzlerin - anders als in denRegierungszeiten von Gerhard Schröder und Helmut Kohl - damitrechnen, dass aktueller Unmut keine unmittelbaren wirtschaftlichenKonsequenzen haben wird.
Für Merkel besteht ein direkter Zusammenhang zwischen derGlobalisierung und der Verteidigung westlicher Werte. Die Weltdefiniert sich aus ihrer Sicht gegenwärtig neu. Um so wichtiger istes daher für sie, sich aktiv für die Werte des «alten Europa»einzusetzen. Wer das westliche Wertesystem erhalten und durchsetzenwill, muss auch dafür eintreten, so ihre Überlegung. Diese Haltungwird auch durch Merkels Erfahrung mit dem realen Sozialismus in derDDR geprägt, wo sie viele Jahre auf ein deutliches Wort von außenhoffte.