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Kurilenkonflikt Kurilenkonflikt: Moskau und Tokio streiten um Mini-Inseln im Pazifik

Von Stefan Voß 08.01.2003, 06:47
Japans Regierungschef Junichiro Koizumi (Foto: dpa)
Japans Regierungschef Junichiro Koizumi (Foto: dpa) dpa

Moskau/dpa. - Russland hat in seiner Geschichte selten so gute Beziehungen zu den Großmächten der Welt von den USA bis China unterhalten wie heute. Die einzige Ausnahme bildet Japan. Der Streit um die zum Ende des Zweiten Weltkrieges von der damaligen Sowjetunion besetzten Kurileninseln nördlich von Hokkaido hat bis heute den Abschluss eines Friedensvertrages verhindert. Japans Regierungschef Junichiro Koizumi will am Freitag bei einem Treffen mit Präsident Wladimir Putin in Moskau die Kurilenfrage wieder aufwerfen.

Noch immer empfindet ein Großteil der Japaner den Verlust der «nördlichen Territorien» als Schmach. Auch Deutschland verlor zum Kriegsende einen Teil seines Territoriums (Königsberg und das nördliche Ostpreußen) an die damalige Sowjetunion. Doch im Gegensatz zu Japan hat sich die Bundesrepublik längst damit abgefunden.

Koizumi kommt mit frischem Elan nach Moskau. «Wir sollten so schnell wie möglich einen Friedensvertrag schließen und unsere Beziehungen völlig normalisieren», forderte der Regierungschef in einem Interview mit der russischen Agentur Interfax vor der Abreise.

Doch in Russland stehen ein Jahr vor der Präsidentenwahl die Chancen für eine Einigung schlechter denn je. Das Riesenreich reagiert empfindlich auf Territorialfragen. Moskau setzt mit neuer Verbissenheit seinen Kampf in der abtrünnigen Teilrepublik Tschetschenien fort. Selbst in einigen innerrussischen Gebieten wie dem moslemisch geprägten Tatarstan an der Wolga ist der Drang nach mehr Unabhängigkeit spürbar.

Der russische Japanologe Igor Latyschew schließt Zugeständnisse Putins an die Japaner aus. «Im Hinblick auf seine Wiederwahl im kommenden Jahr wird der Präsident hart bleiben», sagt der Professor am Orient-Institut der Akademie der Wissenschaften. Putins Vorgänger Boris Jelzin wollte das Problem eigentlich bis zum Jahr 2000 vom Tisch haben. Doch Japan lehnt einen Freundschaftsvertrag ohne verbindliche Regelung der Inselfrage ab.

Der Streit um die Südkurilen ist mehr ideeller als ökonomischer Natur. Auf den Inseln Iturup, Schikotan, Kunaschir und Chabomai leben insgesamt etwa 20 000 Menschen. Mit einer Gesamtfläche doppelt so groß wie das Saarland gehen die Südkurilen im russischen Reich unter wie eine Schneeflocke auf dem Roten Platz.

Experten-Vorschläge, als Kompromiss wenigstens die kleineren Inseln Schikotan und Chabomai zurückzugeben, trafen auf wütende Reaktionen im russischen Parlament. «Russlands hat rechtlich und moralisch Anspruch auf die Inseln», behaupteten die Abgeordneten. Die Verhandlungen sollten sofort beendet werden, forderte die Staatsduma im Vorjahr.

Dass Putin dennoch mit den Japanern im Gespräch bleiben will, hat vor allem ökonomische Gründe. Der Konflikt schadet der Wirtschaft. Der Handelsumsatz zwischen dem Rohstoff- und Energiegiganten Russland und der Produktions-Supermacht Japan hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als halbiert. Russland will vor Japans Haustür Öl und Gas fördern und hofft auf Investitionen aus Tokio.

Die Betroffenen selbst setzen keine große Hoffnungen in die Politik. Ähnlich wie das Gebiet Kaliningrad (Königsberg) sind die Südkurilen als einstiges Sperrgebiet in einem erbärmlichen Zustand. Die meisten Inselbewohner leben vom Fischfang. «Es ist egal, ob wir zu Russland oder Japan gehören. Hauptsache ist, jemand hilft uns aus der Misere», lautet die gängige Haltung auf den Inseln, acht Zeitstunden und 8000 Kilometer östlich von Moskau.

Karte zum Kurilenkonflikt (Grafik: dpa)
Karte zum Kurilenkonflikt (Grafik: dpa)
dpa