1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Kommentar zum Türkei-Besuch: Kommentar zum Türkei-Besuch: Merkel darf sich Erdogan nicht anbiedern

Kommentar zum Türkei-Besuch Kommentar zum Türkei-Besuch: Merkel darf sich Erdogan nicht anbiedern

Von Joachim Frank 23.05.2016, 05:55
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen in Istanbul im letzten Jahr.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen in Istanbul im letzten Jahr. EPA POOL

Lange Zeit haben die Europäer der Türkei die EU-Mitgliedschaft vorgehalten wie einem Esel die Karotte. Die einen in der Hoffnung, die Führung in Ankara werde ihr Land energisch in Richtung Westen und Demokratie ziehen. Die anderen in der Annahme, die Türkei werde die Kopenhagen-Kriterien für künftige EU-Staaten ohnehin nicht erfüllen und der ewige Bewerber bleiben. Das war nicht nur kränkend für die Türken. Europa hat sich ihnen vielmehr auch als ein Gegenüber gezeigt, das von Prinzipien redet, aber taktisch handelt.

Als Vorbild für seine eigene Politik hat Recep Tayyip Erdogan bestimmt nicht die EU nötig gehabt. Rücksichtslos, gerissen und machtgetrieben ist der Autokrat von Ankara ganz von sich aus. Aber er kann jetzt so – und noch ärger – mit der EU umspringen, wie diese zuvor mit seinem Land, weil „Partnerschaft“ oft genug nur eine Formel war und kein Verhältnis.

Das Aschenputtel-Verfahren für die Auswahl syrischer Flüchtlinge (die Elite für uns, das Prekariat für euch) reiht sich ein in eine Liste fast täglich neuer Unverschämtheiten. Die Kanzlerin muss auf ihrem Türkei-Besuch diesmal alles vermeiden, was nach Liebedienerei aussieht. Mit Despoten wie Erdogan türkischen Honig naschen, das verdirbt nicht nur den Magen, sondern Anstand und Gewissen.