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Kommentar zum NetzDG Kommentar zum NetzDG: Das neue Gesetz entsorgt statt Hass und Häme die Kritik daran

Von Christian Bommarius 04.01.2018, 17:49

Die rechtsradikale AfD-Politikerin Beatrix von Storch wird missverstanden. Sie hat sich keineswegs darüber erregt, dass die Kölner Polizei zum Jahreswechsel nicht nur auf Deutsch, Englisch und Französisch, sondern auch auf Arabisch getwittert hat. Was sie stört, ist selbstverständlich nicht die Sprache, sondern die Botschaft, die mit ihr verbreitet wurde. Beatrix von Storch ist eine traditionsbewusste Frau, bis heute hat sie den ideologischen Dunstkreis ihre Großvaters Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk – NS-Finanzminister und verurteilter Kriegsverbrecher – nicht verlassen.

Hätte er die Ausplünderung und Enteignung der europäischen Juden nicht nur in deutscher, sondern auch in hebräischer Sprache betrieben, hätte sich mancher Nationalsozialist verwundert die Augen gerieben, aber vielleicht Verständnis gezeigt: Denn nicht auf die Sprache, sondern auf die Botschaft kommt es an. Sie lautete damals: Hass und Habgier.

Was war nun die Botschaft der Kölner Polizei, die sie zu Neujahr in vier Sprachen verkündet hat? Es waren Neujahrsgrüße. Freundlich und sachlich hat sich die Polizei an die Bevölkerung – darunter mehr als eine Million in Deutschland lebender Staatsbürger aus arabischen Staaten – gewandt, nicht pöbelnd, nicht beleidigend, in vier Sprachen, mit nur einer Botschaft: Es war die Botschaft der Zivilgesellschaft.

Das ist die Botschaft, die in keinem Land der Welt von Extremisten gehört wird, auch nicht in Deutschland, auch nicht von AfD-Politikern wie von Storch, Alice Weidel, Alexander Gauland, Björn Höcke oder dem Dresdner Richter Jens Meier, der in seinen Kampf gegen „Mischvölker“  jüngst den Sohn Boris Beckers, Noah, mit der Beleidigung als „Halbneger“ – Graf Schwerin von Krosigk und seine Volksgenossen kannten nur die „Halbjuden“ – einbezogen hat. Das hätte kein Vollnazi rassistisch einwandfreier formulieren können.

Die AfD: Feind der Zivilgesellschaft

Die Sprache der Zivilgesellschaft ist die Sprache, die kein führender AfD-Politiker versteht, denn die Partei versteht sich seit längerem als eingeschworener Feind der Zivilgesellschaft. Daran wird auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nichts ändern, das zum Jahresbeginn in Kraft getreten ist und Betreiber von Internet-Plattformen wie Facebook und Twitter zur zügigen Löschung strafbarer Inhalte verpflichtet.

Das von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) initiierte Gesetz will die Verbreitung von Hass und verbaler Gewalt im Netz beschränken. Das Motiv ist gut, das Gesetz ist es nicht. Die Kritik, damit werde unter dem Vorwand, die Meinungsfreiheit zu schützen, ein System der Zensur errichtet, ist zwar Unsinn. Der Versuch, Beleidigung, üble Nachrede, Rufmord oder Volksverhetzung aus dem Netz zu verbannen, hat nichts mit Zensur zu tun, denn alle diese Delikte sind nicht deswegen gestattet, nur weil das Netz der Tatort ist.

Das NetzDG ist schädlich

Gleichwohl ist das Gesetz nicht nur untauglich, sondern schädlich. Denn beim Versuch, Hass und Häme zu entsorgen, entsorgt es zugleich die Kritik an Hass und Häme. Kaum hatte Twitter Storchs Konto nach deren dummdreisten Sprüchlein („Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?“) vorübergehend gesperrt, sperrte Twitter auch den Account des Satiremagazins Titanic, das Storch parodierend zitiert und angekündigt hatte, dass die rechtsradikale Politikerin bis auf weiteres über den Account des Magazins twittern werde.

Zensur als Kollateralschaden – von Anfang an hatten Kritiker davor gewarnt. Gewarnt hatten sie auch davor, die juristische Prüfung der Meinungsäußerungen nicht den Gerichten, sondern Facebook und Twitter zu überlassen. Zu recht. Die Bemerkung Storchs ist rassistisch, verlogen und demagogisch, aber ob es sich um eine strafbare Volksverhetzung handelt, ist umstritten. Wer die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den – sehr weiten – Grenzen der Meinungsfreiheit kennt, wird das bezweifeln.

Die Heuchler in der AfD

Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist Figuren wie Storch und ihren rechtsradikalen Volksgenossen, ist auch der verbalen Kloake, mit der sie das Netz befüllen, kaum beizukommen. Erstaunlicherweise wird nicht einmal von ihnen selbst bestritten, dass die Meinungsfreiheit Grenzen hat. Deswegen haben soeben die beiden Landessprecher der hessischen AfD gegen den Präsidenten von Eintracht Frankfurt Strafanzeige wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung gestellt. Sie begründen die Anzeige damit, dass sie sich die Bezeichnungen als „braune Brut“ und „Nazis“ nicht gefallen lassen wollten. Aber erstens legen öffentliche Äußerungen zahlreicher AfD-Politiker – wie Storch, Weidel und Gauland – solche Bewertungen durchaus nahe. Zweitens bedient sich die Partei mit ihrer Anzeige gegen den Präsidenten genau der Mittel, die sie bei anderer Gelegenheit als Zensur beklagt. Es gibt in der AfD durchaus nicht nur Nazis. Auch die Heuchler sind stark vertreten.