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Keine Möglichkeit eines Verbots  Keine Möglichkeit eines Verbots : Pegida demonstriert am Jahrestag der Pogromnacht

Von Bernhard Honnigfort 09.11.2015, 17:39
Der Mitbegründer der Pegida, Lutz Bachmann steht am Rednerpult auf dem Theaterplatz in Dresden und fotografiert mit seinem Handy.
Der Mitbegründer der Pegida, Lutz Bachmann steht am Rednerpult auf dem Theaterplatz in Dresden und fotografiert mit seinem Handy. dpa Lizenz

Dresden - „Pegida wirkt“, ruft Anführer Lutz Bachmann gerne auf den Dresdener Montagskundgebungen seiner jubelnden Anhängerschaft zu. Bachmann meint den Zulauf, den seine asylfeindliche Bewegung verzeichnet, er meint die Berichterstattung der „Lügenpresse“ darüber, die zum Teil wütenden Reaktionen der Berliner Bundespolitiker auf das, was er und andere Redner gerne von ihrer kleinen Bühne vor der Semperoper verkünden.

Pegida wirkt – das meint mittlerweile auch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert, doch in einem ganz anderen Sinn als Bachmann, nämlich bedauernd. Pegida schade dem Ansehen Dresdens massiv, beklagt der FDP-Politiker, was sich seit einem Jahr in der sächsischen Landeshauptstadt abspielt. „Pegida vernichtet Arbeitsplätze und ist für das Image dramatisch negativ.“

Die Zahl der inländischen Touristen gehe zurück, und es sei für Dresdener Unternehmen mittlerweile schwierig, ausländische Wissenschaftler als Mitarbeiter zu gewinnen. Ganz zu schweigen davon, dass sich eine „unterschwellige Unsicherheit“ eingeschlichen habe, nicht nur wegen Pegida, aber Migranten hätten gerade montags Angst, sich frei in der Stadt zu bewegen. Künstler der Staatskapelle und der Semperoper gehen montags nur noch ungern zu ihren Proben oder Aufführungen.

Solche kleinen Geschichten sprächen sich in der Szene herum, heißt es in Regierungskreisen. Was Pegidas Montagskundgebungen in der internationalen Wissenschafts- und Kunstszene für Dresden anrichteten, sei „schlicht eine Katastrophe“. Wenn er seine Post lese, laufe es ihm manchmal kalt den Rücken runter, so Dresdens Oberbürgermeister über den rapiden Imageverfall seiner Stadt.

„Ein gewisses Fingerspitzengefühl“

Daran dürfte dieser Montag, der 9. November, auch nichts geändert haben: Wieder war eine Demonstration von Tausenden Pegida-Anhänger vor der Semperoper angekündigt, obwohl es Appelle an die Stadt gegeben hatte, doch wenigstens am Jahrestag der Pogromnacht den Versuch zu unternehmen, per Verbot das Treiben aus dem Zentrum Dresdens an den Rand zu verlegen. Auch CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich hielt „ein gewisses Fingerspitzengefühl“ für angebracht. Hilbert am Montagnachmittag: „So schwer es mir fällt, und so sehr ich die Konsequenzen bedaure: Ich sehe keine Möglichkeit, die Pegida-Demonstration auch an einem 9. November zu versagen oder den Ort an den Stadtrand zu verlegen.“

„Herz statt Hetze“, das von Initiativen wie „Dresden für alle“ sowie Parteien wie den Linken, der SPD und den Grünen unterstützt wird, hatte selbst eine Kundgebung auf dem Theaterplatz vor der Semperoper angemeldet. Doch sie mussten ihre Gegenproteste verlegen. Pegida war zuerst da. Der Theaterplatz werde so zu einem Ort, der für Pegida und die Hetze von Gründer Bachmann stehe. „Das Zeichen, das die Landeshauptstadt Dresden aussendet, ist eine Bankrotterklärung“, so die Initiatoren von „Herz statt Hetze“.

Widerstand im Netz

Robert Koall, der Chefdramaturg des Staatsschauspiels Dresden, hatte an Oberbürgermeister Hilbert und SPD-Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange appelliert, dem Ansehen der Stadt nicht weiter zu schaden und an einem historisch bedeutsamen Datum „nicht die Hetzer in den Mittelpunkt der Stadt zu lassen“. Doch die Stadtverwaltung hatte den Platz Pegida zugesprochen.

Gegen die Pegida-Kundgebung an diesem besonderen Montag hatte sich auch im Internet massiver Widerstand formiert. Die Unterschriftenaktion wurde am Sonnabend im Netz veröffentlicht. Am Montagnachmittag hatten mehr als 70 000 Menschen unterzeichnet.

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert vor der Semper-Synagoge in Dresden während einer Kranzniederlegung.
Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert vor der Semper-Synagoge in Dresden während einer Kranzniederlegung.
dpa Lizenz