1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Kämpfe im Nordosten von Afghanistan : Kämpfe im Nordosten von Afghanistan : Taliban erobern Kundus

Kämpfe im Nordosten von Afghanistan  Kämpfe im Nordosten von Afghanistan : Taliban erobern Kundus

Von Thomas Kröter 28.09.2015, 14:07
Die afghanischen Truppen sammeln sich zum Kampf gegen die vorrückenden Taliban.
Die afghanischen Truppen sammeln sich zum Kampf gegen die vorrückenden Taliban. AFP Lizenz

Berlin - Die Taliban sind in das Zentrum der Provinzhauptstadt Kundus im Nordosten Afghanistans vorgedrungen. Ein Sprecher des Provinzgouverneurs bestätigte am Montag die Berichte internationaler Nachrichtenagenturen und der heimischen „ToloNews“. Regierungstruppen kontrollierten noch die Hälfte der Stadt einschließlich des Sitzes der Provinzialverwaltung. Tweeds von Reportern schildern nahezu minütlich die immer heftiger werdenden Kämpfe. Die meisten Ausländer haben die Stadt bereits verlassen.

Gleichzeitig beantragen immer mehr Menschen in der Metropole Kabul einen Pass. Schon jetzt sind die Afghanen nach den Syrern die zweitgrößte Gruppe unter den Asyl Suchenden, die nach Deutschland kommen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) warnte bereits vor der jüngsten Offensive der Taliban: „Wenn wir in Afghanistan nicht schnell reagieren und handeln, werden wir von dort die nächste Flüchtlingswelle erleben. Dort sitzen Millionen auf gepackten Koffern.“

Nach inoffiziellen Berichten verlassen zurzeit rund 100 000 Afghanen monatlich ihre Heimat. Bisher seien rund 70 000 in Europa angekommen, berichtet die Internationale Organisation für Migration. Die Regierung in Kabul hat mit der Ausstellung elektronisch lesbarer Pässe begonnen, mit denen eine Ausreise über den Iran möglich ist. Sie kann den Andrang von aktuell rund 5000 Interessenten pro Tag jedoch nicht bewältigen.

Die meisten von ihnen wollen wie auch die Syrer nach Deutschland. Viele haben hier Verwandte oder selbst einmal in der Bundesrepublik oder der DDR gelebt. Eine Minderheit hat auch für die Bundeswehr gearbeitet. Schlepper für Flüchtlinge ohne Pass kassieren je nach Route zwischen 8000 und 25.000 Dollar.

Afghanische Regierung versucht Ausreise zu verhindern

Die afghanische Regierung versucht, die Menschen durch Fotos von ertrunkenen Flüchtlingen oder überfüllten Booten von einer Flucht abzuschrecken. „Geh nicht“, heißt es oder „Es mag keine Rückkehr geben.“ Die deutsche Botschaft hat eine ähnliche Kampagne gestartet. Im Kurznachrichtendienst Twitter warnt sie: „Letztes Jahr wurden weniger als ein Drittel aller Bewerbungen um Asyl in Deutschland angenommen.“ Bisher scheint der Erfolg wegen der Verschlechterung der Sicherheitslage jedoch gering zu sein.

Aus der Bundesregierung hieß es am Montag, in Berlin habe man keine eigenen Erkenntnisse über die Lage in Kundus. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Floßdorf, sagte in der Bundespressekonferenz jedoch mehrdeutig, er habe „keine Erkenntnisse, die ich mitzuteilen“ habe. Seine Kollegin Sawsan Chebli vom Auswärtigen Amt erklärte, die afghanischen Sicherheitskräfte seien „grundsätzlich in der Lage“ die Städte zu kontrollieren. Bisher hätten sie die Angriffe der Taliban stets zurückgeschlagen.

Im Juni war es den Regierungstruppen noch gelungen, einen Angriff der Aufständischen zurückzuschlagen. Diesmal sind die Taliban in einer abgestimmten Aktion aus drei Richtungen vorgerückt. Augenzeugen schätzen die aktuelle Attacke als aussichtsreicher ein. Kundus ist gerade aus deutscher Sicht ein besonderer Ort. Bis 2013 waren deutsche Soldaten hier rund 10 Jahre lang in einem großen Feldlager stationiert gewesen. Die Bundesregierung hatte diesen Standtort auch deshalb gewählt, weil er als vergleichsweise sicher galt.

Durch den Abzug der Internationalen Schutztruppe Isaf hat sich die Lage Zug um Zug verändert. Seit Beginn dieses Jahres unterstützt die Nato im Rahmen ihrer Mission „Resolute Support“ nur noch mit rund 12.000 Soldaten die Ausbildung der Afghanischen Armee. Isaf hatte 2012 fast 130.000 Mann umfasst, davon rund 90.000 aus den USA und nicht ganz 5000 aus Deutschland. Die Bundeswehr reduzierte ihre Obergrenze auf 850. Bis Ende kommenden Jahres ist der komplette Abzug ausländischer Soldaten vom Hindukusch geplant.

Nato debattiert über Mission in Afghanistan

Auf Bitten der afghanischen Regierung haben die USA ihren Rückzug bereits verlangsamt. Nun sollen fast 10.000 Soldaten bis Jahresende bleiben. Zunächst war die Hälfte geplant. Auch die Nato hat bereits über eine Anschlussmission in Afghanistan debattiert. Entscheidungen sollen in diesem Herbst fallen. Das Mandat der Bundeswehr läuft zum Jahresende aus.

„Die Bundesregierung ist jetzt am Zug“, sagte der außenpolitische Experte der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich. Bisher hat das Parlament die Anträge für die Verlängerung des deutschen Engagements stets verlängert. (mit dpa, rtr)

Die afghanischen Truppen haben trotz schwerer Kriegsgeräte Mühe die Angreifer abzuwehren.
Die afghanischen Truppen haben trotz schwerer Kriegsgeräte Mühe die Angreifer abzuwehren.
REUTERS Lizenz
Bundeswehrsoldaten waren rund 10 Jahre in Kundus stationiert.
Bundeswehrsoldaten waren rund 10 Jahre in Kundus stationiert.
dpa Lizenz