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Interview Interview: Attas Uni-Professor: «Es sitzt noch drin und beschäftigt mich»

Von Michael Reis 25.08.2011, 11:27
Dittmar Machule, Professor für Städtebau und Stadtbauchgeschichte, betreute die Diplomarbeit des Todespiloten Mohammed Atta. (FOTO: DAPD)
Dittmar Machule, Professor für Städtebau und Stadtbauchgeschichte, betreute die Diplomarbeit des Todespiloten Mohammed Atta. (FOTO: DAPD) dapd

Hamburg/dapd. - Dittmar Machule betreute als Professor fürStädtebau und Stadtbaugeschichte die Diplomarbeit des späterenTodespiloten Mohammed Atta. Im August 1999 legte Atta bei Machule ander Technischen Universität Hamburg-Harburg seine mündliche Prüfungab. Auch zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001sitzen die Erinnerungen an die Ereignisse bei Machule noch tief. Mitdem seit 2007 emeritierten Professor sprach dapd-KorrespondentMichael Reis.

Herr Machule, können Sie sich an den Moment erinnern, alsSie erfahren haben, dass einer Ihrer Studenten ein Attentäter des11. September 2001 sein soll?

Machule: Klar kann ich mich daran erinnern. Ich saß am Abend des11. September 2001 zu Hause auf dem Fußboden, trank ein Bier, lasdie Zeitung und der Fernseher flimmerte. Es kam der Bericht, dassbestimmte Attentäter im Visier der Fahnder seien. Und dann zeigtensie das berühmte verzerrte Fahndungsbild von Mohammed auf demBildschirm. Mit diesem Gesichtsausdruck habe ich ihn natürlich nieerlebt, aber die Ähnlichkeit war so stark, dass ich einen riesigenSchreck bekam und es zunächst nicht glauben wollte.

Was haben Sie in diesem Moment empfunden?

Machule: Ich bin ein sehr rationaler Mensch. Da bin ich nichtgleich in Tränen ausgebrochen. Man fängt aber doch an nachzudenken.Und irgendwann kommt dann natürlich die Frage: Hast du da wasübersehen oder hättest du etwas erkennen müssen?

Was hat sich für Sie ab diesem Moment verändert?

Machule: Na ja, in meinem Alter verändert man sich nicht mehr soschnell. Aber ich habe erkennen müssen, wozu der Mensch tatsächlichfähig ist. Und ich bin vorsichtiger und skeptischer geworden, wasdie Beurteilung von Menschen betrifft. Dazu gehört aber auch, dassman seine Offenheit gegenüber Menschen nicht verlieren darf undnicht in Vorurteile verfallen darf. Eines gilt jedoch ganz sicher:Ein verbranntes Kind scheut das Feuer.

Die Ereignisse liegen jetzt zehn Jahre zurück. Was bedeutendie Geschehnisse für Sie heute?

Machule: Diese Frage wird man sich vermutlich stellen, bis man indie Kiste geht. Erst mal bedeutet es, dass immer wieder Journalistenanrufen und mir Fragen stellen. Aber das ist einfach nur einäußerliches funktionales Faktum. Innerlich ist es so: Sobald ichüber dieses Thema rede, geht es los, es rattert in mir herum und ichfange an zu reden und zu reden, obwohl ich normalerweise gar nichtso viel rede. Und da merke ich einfach, das alles sitzt noch drinund beschäftigt mich noch. Das zeigt, dass in mir dieses Erlebnisnoch ganz stark vorhanden ist. Es ist vielleicht in mireingekapselt. Ja, das Bild passt. Eine Kapsel, die immer wiederaufbricht, wenn man daran stößt.

Wie gehen Sie damit um?

Machule: Möglicherweise habe ich das alles noch gar nichtverarbeitet. Vielleicht auch, weil ich es gar nicht verarbeiten willund mein Verstand mir sagt, es bringt sowieso nichts. Wir können dieDinge nicht mehr ändern, aber wir können nach vorne schauen.

Was hatten Sie für einen Eindruck von Herrn Atta?

Machule: Er war ein fleißiger Junge und ein interessierterStudent. Und er war sehr fromm. Mohammed betete regelmäßig. Er fielmir nicht als besonders intelligent und besonders förderungswürdigauf, aber er ragte mit seinem Fleiß und seinem Interesse doch ausder Gruppe der anderen Studenten heraus. Als er damals nach dermündlichen Prüfung im August 1999 aus meinem Arbeitszimmer ging,hatte ich den Eindruck: Der Mohammed, der wird schon seinen Weggehen.

Welches Verhältnis hatten Sie zu Herrn Atta?

Machule: Ich hatte ein sehr gutes und recht intensives Verhältniszu ihm. Da wir an unserer Universität ein kleiner Laden sind, hatteich zu meinen Studenten immer ein sehr intensives Verhältnis.Allerdings hatte ich nach der mündlichen Prüfung bis auf eineBegegnung so gut wie keinen Kontakt mehr zu ihm. Mohammed wolltemich damals wohl spontan auf einen Kaffee besuchen, aber ich hatteleider keine Zeit.