Innere Sicherheit Innere Sicherheit: Heiko Maas will Einbrecher härter bestrafen Ralf Jäger für schärferes Waffenrecht - Viele Vorschläge vor Innenministerkonferenz

Berlin - Es gibt Jahre, da wird in der Öffentlichkeit nicht viel gesprochen über die regelmäßigen Konferenzen, auf denen die Innenminister der Länder und der des Bundes miteinander debattieren, wie sie Deutschland sicherer machen und besser organisieren können. Und dann gibt es Zeiten wie diese: eine Bundestagswahl und etliche Landtags- und Kommunalwahlen; überall in Europa und Amerika dominieren Populisten die Debatte – und zugleich breiten sich unter den Bürgern Ängste aus. Weil es immer wieder zu Terroranschlägen kommt. Weil die Einbrüche dramatisch zunehmen. Weil die Zuwanderung durch Flüchtlinge steigt und keiner genau weiß, was das bedeutet.
So glauben laut einer aktuellen Emnid-Umfrage zwei Drittel der Deutschen, die Politik nehme ihre Sorgen nicht ernst genug. Für die Hälfte der Bürger zählt dazu die Angst, Opfer eines Einbruchs zu werden, für 40 Prozent die Furcht vor dem Islam. Etwa ebenso viele glauben, ein Typ wie Trump wäre auch in Deutschland erfolgreich. So macht sich nicht nur im Wahlvolk, sondern auch in der Politik eine ernste Verunsicherung breit – und führt zu völlig verschiedenen Schlussfolgerungen.
Vorschläge aus den Ländern ballen sich
So kommt es, dass die anstehende Innenministerkonferenz an diesem Dienstag und Mittwoch in Saarbrücken schon jetzt in aller Munde ist. Innenminister aller Länder vereinigen sich in einem Wettbewerb der Ideen: Hessen und Saarland wollen härtere Strafen für Gewalt gegen Polizisten. Aus dem Saarland kommt der Ruf nach mehr Internetüberwachung, im Bund und in Nordrhein-Westfalen würde man angesichts Hunderter bewaffneter Rechtsextremer gern die Waffengesetze verschärfen.
Nicht immer ist bei all dem ganz klar, wogegen die oft bewusst polarisierend angelegten Forderungen eigentlich wirken sollen: Nur gegen die Sorgen der Bürger, damit diese sich nicht von der Politik ab- oder den Populisten zuwenden? Oder doch gegen die realen und die gefühlten Missstände und Bedrohungen? Fakt ist, bevor Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) und seine Länderkollegen – ausschließlich von Union und SPD – zusammenkommen, ballen sich gerade die Vorschläge, die sie mit in die Runde bringen oder die ihnen mit gegeben werden. Dass sie oft nicht umsetzbar sind, ist dabei zweitrangig. Bei der Profilierung der eigenen Partei helfen sie allemal: mit Sicherheit.
Die Vorschläge aus den Ländern im Einzelnen finden Sie auf den nächsten Seiten.
Peter Beuth und Ralf Jäger: Waffenrecht verschärfen
Aus Bayern kam Ende voriger Woche eine Zahl, die nicht ganz so großes Aufsehen erregte wie die sommerliche Debatte um das Verbot der überschaubaren Anzahl süddeutscher Burkas: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schätzte die Zahl der bewaffneten „Reichsbürger“ in Bayern auf etwa 340. Herrmann sprach von einem Alarmsignal, zumal Vertreter dieser rechten Bewegung, die die Bundesrepublik nicht anerkennt, in jüngster Zeit mehrfach auf Polizisten geschossen und schwer verletzt hatten, einen davon tödlich. „Im Vergleich zur restlichen Bevölkerung sind offensichtlich außergewöhnlich viele Reichsbürger bewaffnet“, so Hermann.
Weil ähnlich alarmierende Zahlen von anderen Extremistengruppen bekannt sind, wollen nun mehrere Minister die deutsche Waffengesetze verschärfen – anders als die Bundesregierung insgesamt. Die hatte zu einer entsprechenden Gesetzesinitiative des Bundesrates jüngst ein ablehnendes Votum abgegeben. Es gebe ausreichend rechtliche Mittel.
Heiko Maas bestreitet Vorwürfe
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bestritt das nun erneut: Vor Erteilung der Waffenscheine sollten zunächst Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über Antragsteller aus dem „extremistischen Bereich“ eingeholt werden, forderte er am Sonntagabend in der ARD. Wenn die Extremisten die Waffen haben, sei es schon zu spät. „Eigentlich müsste man Vorkehrungen schaffen, dass solche Menschen am extremistischen Rand unserer Gesellschaft überhaupt nicht in den Besitz von Waffen kommen können.“
Vor der Innenministerkonferenzen bestärkten Innenminister aus SPD wie CDU die Forderung, die auch auf der Tagesordnung stehen soll: Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) nannte es inakzeptabel, dass Extremisten legal Waffen besitzen könnten. In Hessen sei eine Regelabfrage der Behörden beim Verfassungsschutz vor Vergabe der Waffenlinzenz schon Pflicht, „allerdings derzeit noch auf einem sehr komplizierten Weg“, so Beuth. Eine Regelüberprüfung würde die Prävention erleichtern. Auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) unterstützt den Vorstoß: Es müsse „alles getan werden, damit Extremisten nicht in den Besitz von Waffen gelangen“.
Heiko Maas: Härtere Strafen für Einbrecher
Bundesjustizminister Heiko Maas will die Strafe für Diebe, die in Wohnungen einbrechen, deutlich erhöhen. „In Zukunft wird jeder Wohnungseinbruchsdiebstahl eine Mindeststrafe von sechs Monaten zur Folge haben“, sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er kündigte an, einen entsprechenden Gesetzentwurf noch vor Weihnachten vorzulegen. Künftig sollte das Strafrecht bei Einbruchsdiebstählen keine „minder schweren“ Fälle mehr anerkennen, sagte Maas weiter. Denn dabei handle es sich um Straftaten, „die in die Intimsphäre der Menschen eindringen - und bei den Opfern traumatische Folgen haben können“.
Unions-Fraktionsvize Stephan Harbarth begrüßte die Ankündigung von Maas. Es sei „gut, dass die SPD beim Thema Einbrüche aufwacht und einen Schritt auf eine alte Forderung von CDU und CSU zumacht“, erklärte er. Harbarth forderte bei Wohnungseinbrüchen allerdings eine Mindeststrafe von einem Jahr, also nicht nur von sechs Monaten, sowie die Einstufung des Delikts als Verbrechen, was auch die Ermittlungsinstrumente ausweiten würde.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, sagte wiederum: „Mit dem neuen Straftatbestand und der darin enthaltenen deutlichen Strafandrohung setzt der Staat das unmissverständliche Zeichen, dass diese Gewalt nicht hingenommen wird.“
Einbrüche häufig aus dem Ausland organisiert
Einbrüche haben sich in den vergangenen Jahren zunehmend zum Problem entwickelt. Denn sie werden nicht bloß öfter, sondern mittlerweile häufig auch von organisierten und nicht selten aus dem Ausland gesteuerten Banden begangen, die professioneller agieren als Einzeltäter und schwerer zu stellen sind als diese. So steigt die Zahl der Delikte seit rund zehn Jahren kontinuierlich. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit mehr als 167.000 Einbrüche und Einbruchsversuche registriert, fast zehn Prozent mehr als 2014. Die Aufklärungsquote beträgt gerade mal 15 Prozent.
Die Bundesregierung versucht seit geraumer Zeit, dem zu begegnen. Erst kürzlich haben sich die Innenminister der Niederlande, Belgiens, Deutschlands sowie Nordrhein-Westfalens, Rheinland-Pfalz und Niedersachsens in der Grenzstadt Aachen auf eine engere Kooperation zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität geeinigt. Geplant sind unter anderem ein Informationsaustausch zu international agierenden Tätergruppen, gemeinsame Ermittlungsgruppen und abgestimmte Kontrollmaßnahmen. Außerdem gibt der Staat mittlerweile mehr Geld an Bürger, die ihre Häuser und Wohnungen gegen Einbrüche sichern wollen.
Thomas Strobl: Gangart gegenüber Asylbewerbern verschärfen
Die SPD reagierte mit einem Superlativ: CDU und CSU kämpften offensichtlich um den Titel „die unchristlichste Partei in Deutschland“, kommentierte Generalsekretärin Katarina Barley. Wenn das so wäre, dann müsste man das sechsseitige Papier von CDU-Vize-Chef Thomas Strobl wohl als Bewerbungsschreiben bezeichnen. Tatsächlich ist es der Entwurf für einen Initiativantrag, über den auf dem CDU-Parteitag kommende Woche abgestimmt werden soll.
„Wer kein Bleiberecht hat, muss gehen“, steht darüber. Strobl geht es um mehr: Zuzug begrenzen, im Land befindliche Flüchtlinge strenger behandeln, mehr abschieben. Der Satz, der die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung drastisch ändern würde, findet sich in der Mitte des Papiers: „Im Sinne einer wirksamen Prävention sollten wir Ausländer ohne Einreiseerlaubnis schon an den Grenzen zurückweisen“, schreibt Strobl. Sie sollten der so genannten Dublin-Regel entsprechend in die Länder zurückgeführt werden, über die sie in die EU eingereist seien.
Wer über eine Landgrenze einreist, könnte demnach keinen Asylantrag mehr stellen. Das entspricht dem Wunsch der CSU. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte diese frühere Praxis mehrfach kritisiert, weil Deutschland dadurch allein durch seine geographische Lage Vorteile vor anderen EU-Ländern habe. Es brauche dafür eine wirksame Grenzüberwachung, schreibt Strobl. Die Bundesregierung hatte geltend gemacht, die Grenze lasse sich nicht lückenlos kontrollieren.
Mehr Menschen sollen abgeschoben werden dürfen
Und auch vor der deutschen Grenze soll es schon schwerer werden: Rückführungszentren in Ägypten oder Tunesien schlägt Strobl vor. Hier sollen zunächst Flüchtlinge aufgenommen werden, die auf dem Mittelmeer aus Seenot gerettet wurden. Später will Strobl in diese Zentren auch andere Flüchtlinge aus Deutschland abschieben. In Ansätzen findet sich dieser Vorschlag auch im CDU-Vorstandspapier.
Der CDU-Vize, der außerdem Innenminister im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg ist, will außerdem den Personenkreis derer erhöhen, die abgeschoben werden können. Haftgründe sollen erweitert werden, etwa wenn die Frist zur freiwilligen Ausreise verstreicht. Wer schon vor der Ankunft in Deutschland krank ist, soll diese Krankheit nicht mehr als Abschiebehindernis geltend machen können. Wer aus so genannten sicheren Herkunftsstaaten kommt, soll keine Ausbildung machen können.
Und auch an anderer Stelle greift Strobl CSU-Forderungen auf: Viele Flüchtlinge kämen nach Deutschland um „von den vergleichsweise hohen Leistungen unserer sozialen Sicherungssysteme zu profitieren“, schreibt er. Vor allem Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien seien da im Auge zu behalten. „Wer betrügt, der fliegt“, so hatte es die CDU vor zwei Jahren formuliert. In der CDU hatten sie da noch die Nase gerümpft.
Klaus Bouillon: Internet und soziale Netzwerke stärker überwachen
„Was nutzt mir Datenschutz, wenn ich tot bin?“ Diese – mutmaßlich rhetorische – Frage hat sich der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU) zurechtgelegt. Er ist im Kampf gegen Kriminelle auf eine Lücke im Internet gestoßen: Messenger-Dienste wie WhatsApp sind derzeit bei Jung und Alt im Einsatz und laufen den „sozialen Netzwerken“ wie Facebook zunehmend den Rang ab – sind aber nicht ausreichend vom Staat einsehbar, findet Bouillon. Die Behörden seien in ihrem Einsatz gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus derzeit nicht in der Lage, die Kommunikation solche Messenger-Dienste nachzuverfolgen.
Zwar weiß auch Bouillon, dass derzeit eine Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich aufgebaut wird, die den Verbrechern online nachspüren soll. Er findet es aber zu umständlich, dass „wir jetzt eine staatliche Stelle gründen müssen, damit unsere Leute das knacken und wir somit die Straftäter verfolgen können“. Von der Ministerrunde erhofft er sich eine Empfehlung für „ein Gesetz, dass diese Dienste zur Auskunft verpflichtet“.
Zudem will Bouillon – obwohl er sicher auch weiß, wie eng die Grenzen des Grundgesetzes dafür sind – die Vorratsdatenspeicherung ausweiten. Persönlichkeitsrechte müssten zwar geschützt werden. Aber wenn jemand beschuldigt werde, müsse man ermitteln können. Denn, siehe oben: Wer heute noch seine Privatsphäre schützen will, könnte morgen schon von einem ermordet werden, der das für seine Verbrechen ausnutzt. Wer auf seinem Grundrecht auf geheime Privatkommunikation bestehe, der erschwere es der Polizei „aus ideologischen Gründen“, Leib und Leben der Bürger zu schützen.