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Hintergrund Hintergrund: Osterweiterung im Alltag

05.12.2002, 09:46

Frankfurt (Oder)/dpa. - An der Autobahn bei Frankfurt (Oder) lässt sich der EU-Beitritt Polen ganz sicher optisch verfolgen: Die Brummischlangen an der Trasse Berlin-Frankfurt-Warschau werden verschinden, weil künftig nur noch die Binnenzollämter abfertigen. Doch abgesehen davon wird sich zum Beitritts-Stichtag wohl kurzfristig weit weniger verändern, als manch Kritiker befürchtet: Polnische Firmen haben ihre Produkte bereits jetzt auf dem deutschen Markt etabliert und die Grenzkontrollen bleiben bestehen, bis Polen dem Schengener Abkommen beitritt. Auf lange Sicht allerdings verbinden die Menschen beiderseits der Oder den EU-Beitritt Polens mit Sorgen und Erwartungen zugleich.

Wladyslaw Komarnicki ist schon jetzt westlich der EU-Grenze aktiv. Der Bauunternehmer aus der polnischen Stadt Gorzow ist mit seiner 250 Mann starken Firma bereits seit elf Jahren in Deutschland. Die Bedingungen für auf dem deutschen Markt sind nicht einfach: Arbeitsgenehmigungen sind für jeden Bauauftrag neu zu beantragen. Razzien des deutschen Arbeitsamtes auf der Suche nach Schwarzarbeitern gehören zum Baustellen-Alltag. «Für uns wird es erst besser, wenn auch die Begrenzungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit wegfallen», erläutert die stellvertretende Direktorin der Firma, Krystyna Lagozna.

Komarnicki gehört zu den polnischen Unternehmern, die sich langfristig gute Chancen durch den EU-Beitritt ausrechnen. «Aber gerade viele kleine Firmen können mit der finanziell stärkeren EU-Konkurrenz nicht mithalten», fürchtet Waldemar Buchta, selbst Unternehmer und amtierender Stadtverordnetenvorsteher der Kleinstadt Rzepin, 20 Kilometer östlich von Frankfurt.

Aus Sicht der armen polnischen Kommunen berge die Osterweiterung aber große Hoffnungen, sagt Buchta. Die Städte hoffen auf EU-Fördermittel, mit denen seit Jahren benötigte Kanalisationen oder Straßen gebaut werden können und auf Investoren aus anderen EU-Staaten, die auf kommunalen Gewerbeflächen neue Firmen ansiedeln. «Es wird zwar für viele sehr schwer werden, aber andererseits beginnt sich endlich etwas zu bewegen», meint Buchta.

Der Frankfurter Unternehmer Volker Thews hat bislang nicht die besten Erfahrungen auf dem polnischen Markt gemacht. Ein jahrelanger Speditionsauftrag hat ihm eine polnischer Konkurrent weg geschnappt. Andere Projekte sind gescheitert. Trotzdem sieht er seine Chancen im Osten. Auf den EU-Beitritt will der Logistikunternehmer allerdings nicht warten. «Wir müssen schon vorher etwas aufbauen», sagt Thews.

Ostbrandenburgische und polnische Firmen konkurrieren im Grenzland bereits seit Jahren. Küchen, Treppen oder Zäune lassen sich die Ostbrandenburger in Polen fertigen, weil es billiger ist. «Viele Produkte kommen schon jetzt ungehindert nach Deutschland, weil es bereits seit längerem keine Zölle mehr gibt», beschreibt Jürgen Watzlaw, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Frankfurt. «Das einzige Hindernis besteht darin, dass der polnische Handwerker die Treppe oder Küche für den deutschen Kunden nicht einbauen darf.»

Auch in der täglichen Arbeit des Bundesgrenzschutzes und der Polizei wird sich 2004 nicht viel ändern. Ein sprunghafter Anstieg der Kriminalitätsrate sei nicht zu erwarten, sagt Dieter Schulze, Sprecher der Frankfurter Polizei. «Die Grenzen sind ja schon verhältnismäßig offen.» Die Passkontrollen wird es weiter geben, bis Polen dem Schengener Abkommen beitritt. Ein Datum dafür ist noch nicht in Sicht.

Die Kooperation mit ihren polnischen Kollegen ist für die deutschen Grenzschützer schon Alltag. Am innerstädtischen Grenzübergang auf der Frankfurter Stadtbrücke arbeiten sie seit Ende der 90er Jahre in einer deutsch-polnischen Kontaktdienststelle Hand in Hand. Zweisprachige Grenzschützer beantworten dort Anfragen aus beiden Ländern. Bei der Polizei ist etwas Ähnliches im Aufbau. Und damit künftig auch die Verständigung klappt, werden die brandenburgischen Polizisten jetzt zum Polnischkurs geschickt.