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Hilfsprojekte in Syrien Hilfsprojekte in Syrien: Leipziger Helfer stecken in der Krise

Von Alexander Schierholz 22.05.2014, 08:14
Syriens Flüchtlinge
Syriens Flüchtlinge Grafik/MZ Lizenz

Leipzig/Halle/MZ - Sie unterstützen mit Spenden aus Deutschland Bürgerkomitees, die sich um Müllabfuhr, Strom und Wasser kümmern, die Schulen oder Suppenküchen aufbauen. Sie helfen mit Handys und verschlüsselter Internet-Technik. Seit drei Jahren versucht das Leipziger Projekt „Adopt a Revolution“ in den Wirren des Bürgerkrieges in Syrien beim Aufbau einer Zivilgesellschaft zu helfen. Ein mühsames Unterfangen, das jetzt vor dem Aus steht: Das Finanzamt droht, dem Trägerverein „about : change“ die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Hohe Steuerrückzahlungen wären die Folge.

Zweifel am Gemeinnutz

„Das Finanzamt hat uns mitgeteilt, dass unsere Arbeit aus seiner Sicht ausschließlich politische Zwecke verfolge. Das sei nicht im Sinne der Gemeinnützigkeit“, sagt Gründungsmitglied André Find. Zudem habe die Behörde angekündigt, Rückzahlungen zu prüfen. „Das könnte unsere Arbeit ruinieren“, sorgt sich der Politikwissenschaftler. Als gemeinnützig eingetragene Vereine sind sie von der Körperschaftssteuer befreit. In den vergangenen drei Jahren haben die Leipziger nach eigenen Angaben rund 750 000 Euro an Spenden für zivile Projekte in Syrien eingesammelt.

Eine Faustregel besagt laut Find, dass sich der Steuersatz auf etwa 30 Prozent des Spendenaufkommens beläuft - demnach müsste der Verein rund eine Viertelmillion Euro zurückzahlen. Find befürchtet zudem einen Rückgang der Spendenbereitschaft: „Der Verlust der Gemeinnützigkeit ist immer auch ein Vertrauensverlust.“

Bei „Adopt a Revolution“ finden sie die Argumentation des Finanzamtes befremdlich. „Wir unterstützen nicht irgendwelche Oppositionsparteien, auch nicht die Exil-Opposition, oder Akteure, die politische Macht für sich beanspruchen“, sagt Find, „sondern Leute, die vor Ort zivilgesellschaftliche Strukturen aufbauen wollen.“ Er räumt aber ein, dass sich das manchmal schwer trennen lasse.

Rundmail an Spender

In einer Rundmail des Vereins an Spender heißt es mit Blick auf die Argumentation des Finanzamtes: „Was bedeutet ,politisch’, wenn wir in einer totalitären Diktatur Menschenrechtsgruppen, Bürgerjournalisten und Zentren für Zivilgesellschaft unterstützen?“ Das Assad-Regime verfolge alle Bürger, die Demokratie und Menschenrechte forderten, es bezeichne sogar die medizinische Versorgung von Verwundeten außerhalb staatlicher Krankenhäuser als Terrorismus, als politischen Akt gegen den Staat. „Sollte wirklich ausgerechnet ein deutsches Finanzamt einer solchen Argumentation folgen?“

Die MZ hat die hallesche Steuerrechtlerin Susanne Sieker gebeten, sich die Website des Projekts anzuschauen. „Das sieht schon sehr nach politischem Engagement aus“, urteilt die Professorin an der Uni Halle. Insofern könne sie die Argumentation des Finanzamtes nachvollziehen. Der Verein könne aber konkrete als gemeinnützig anerkannte Projekte, die er unterstützen wolle, in seiner Satzung verankern, etwa den Bau von Schulen oder die Förderung von Krankenhäusern.

Suche nach einer Einigung

Gründungsmitglied Find betont, man wolle sich mit dem Finanzamt einigen. „Wir versuchen eine Lösung zu finden, die unserer Arbeit gerecht wird.“ Das zuständige Finanzamt I in Leipzig will die Angelegenheit nicht kommentieren. Amtsvorsteher Udo Stiwi verweist auf das Steuergeheimnis und äußert sich nur allgemein: Demnach reiche eine politische Tätigkeit für einen Verein nicht aus, um als gemeinnützig anerkannt zu werden. „Es kommt darauf an, welche konkreten Ziele der Verein verfolgt.“ Das haben die „Adopt“-Aktivisten der Behörde nun noch einmal detailliert mitgeteilt - welche Projekte sie unterstützen, mit welchen Gruppen sie zusammenarbeiten.

Bis der Fall geklärt ist, hängt der Verein in der Luft. Spendenquittungen stellt er vorerst nicht aus.