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Geschichte Geschichte: Gedenkstätte Marienborn erinnert an die deutsche Teilung

Von Christoph Dreyer 18.10.2004, 06:34
Die Gedenkstätte Deutsche Teilung an der A2 zwischen Helmstedt und Marienborn wurde 1996 errichtet. (Foto: dpa)
Die Gedenkstätte Deutsche Teilung an der A2 zwischen Helmstedt und Marienborn wurde 1996 errichtet. (Foto: dpa) dpa/dpaweb

Marienborn/dpa. - Auf halber Strecke an der Autobahn zwischenMagdeburg und Braunschweig liegt das weitläufige betonierte Geländefast menschenleer neben einer modernen Raststätte. Über denverlassenen Kontrollbaracken recken sich die Masten derFlutlichtanlage in die Luft; ein paar Meter weiter sieht man nocheinen alten Kommandoturm. Unmittelbar neben der lärmenden Autobahnliegt hier das, was von einem der Brennpunkte des Kalten Kriegesübrig geblieben ist: die zur «Gedenkstätte Deutsche Teilung»umfunktionierten Anlagen des einstigen Grenzübergangs Marienborn.

Manuela Eickenroth gehört zu den Millionen Menschen, für die derName des seinerzeit größten innerdeutschen Grenzübergangs bis heutemit beklemmenden Erinnerungen verbunden ist. Noch immer gerät diemittlerweile 45-Jährige in Wut, wenn sie in der Ausstellung derGedenkstätte die Dokumente zu ihrem Fluchtversuch am Osterwochenende1980 sieht. «Drei Mal hat die Staatssicherheit danach die Wohnungmeiner Eltern durchsucht», erzählt sie kopfschüttelnd. «Dabei hatteich doch den Fluchtversuch längst gestanden.»

Die Schikanen hatten System in Marienborn. Einreisende aus derBundesrepublik mussten Pass und Autopapiere abgeben. «Die Leutestanden dann stundenlang ohne Papiere im Niemandsland», sagt derstellvertretende Gedenkstellenleiter Frank Stucke. Noch heute sind inden lang gezogenen Baracken Förderbänder zu sehen, auf denen diePapiere über weite Strecken durch fast leere Räume befördert wurden,ohne angerührt zu werden. «Das diente allein zur bewussten Täuschungder Reisenden», erläutert Stucke.

Noch härter trafen die Maßnahmen Menschen aus der DDR, die in denWesten ausreisen wollten. Das Misstrauen der Behörden gegen ihreeigenen Bürger ging so weit, dass die Kommandos für die verschiedenenam Grenzübergang eingesetzten Gruppen unter den zuletzt rund 1100Bediensteten strikt getrennt waren: Niemand sollte einenGesamtüberblick haben, den er für Fluchtversuche nutzen könnte.

Dennoch gab es immer wieder Versuche, die Kontrollen zuunterlaufen oder die Sperren zu durchbrechen. Wie oft dies geschahund wie viele Menschen dabei umkamen, ist bis heute nicht geklärt.

Knapp 35 Millionen Reisende wurden in Marienborn allein zwischen1985 und 1989 abgefertigt. Der Grenzübergang war schon 1945 von denAlliierten eingerichtet, aber erst nach seiner Übernahme durch dieDDR-Grenzpolizei immer weiter ausgebaut worden. Anfang der 70er Jahreschließlich wurde er völlig neu gebaut - aus Sicherheitsgründen ineineinhalb Kilometern Abstand von der Grenze.

Heute dokumentiert eine ständige Ausstellung die Ursachen derdeutschen Teilung, den systematischen Ausbau der Grenze, dieAusbildung der DDR-Grenzsoldaten und Fluchtversuche. Daneben gibt esSonderausstellungen, Konzerte und Gedenkgottesdienste sowie Führungenund Begegnungen mit Zeitzeugen wie Manuela Eickenroth.

Diese konnte sich lange nicht vorstellen, noch einmal nachMarienborn zurückzukehren. Nach ihrem Fluchtversuch war sie zu dreiJahren Haft verurteilt und nach einem Jahr von der Bundesregierungfreigekauft worden. Erst durch eine Anfrage einer niederländischenSchülergruppe Ende der 90er Jahre begann Eickenroth, sich für dieGedenkstätte zu interessieren und jungen Leuten von ihrem Leidenswegdurch die Repression der DDR-Behörden zu erzählen. «Je mehr Zeitvergeht, desto eher kann ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dassdas ein Stück von meinem Leben ist, das ich immer verdrängt habe»,sagt sie heute.

Der 16-jährige Tom aus Walsrode gehört zu einer Schülergruppe, diesich hier in Workshops sowie im Gespräch mit Experten und Zeitzeugenmit dem einstigen Geschehen auseinandergesetzt hat. «Bisher dachteich, das sei eine ganz normale Grenze wie nach Polen gewesen», sagter. «Ich hatte keine Vorstellung, wie ausgebaut das war.»