EU-Deal mit Türkei Flüchtlingspakt zwischen EU und Türkei soll schnell umgesetzt werden

Berlin - Deutschland und 19 weitere der 28 EU-Staaten wollen zügig damit beginnen, die Vereinbarungen des Gipfels der EU mit der Türkei aus der vorigen Woche umzusetzen. Das verlautete am Montag aus Berlin und Brüssel. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, 26 der 28 Mitgliedstaaten hätten ihre Bereitschaft zum Kompromiss erklärt. Lediglich Tschechien und Ungarn weigerten sich. Insgesamt sei der Kompromiss „ausgesprochen anspruchsvoll“.
Ziel ist, alle per Boot über die Ägäis in Griechenland ankommenden Flüchtlinge nach Einzelfallprüfung zurück in die Türkei zu bringen, es sei denn, sie können eine dortige Verfolgung nachweisen. Im Gegenzug für jeden dieser Flüchtlinge will die EU jeweils einen syrischen Bürgerkriegsflüchtling nach Europa holen, und zwar bis zu einer faktischen Obergrenze von 72.000. Diese 72.000 sollen auf die Mitgliedstaaten verteilt werden. So ist jedenfalls die Theorie.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte am Montag, dass demnächst ein Expertenteam in die Türkei reisen werde, um praktische Fragen im Zusammenhang mit der Umsiedlung zu klären. Auf griechischer Seite werde es einen Stab geben, in dem auch der Präsident des Technischen Hilfswerks, Albrecht Broemme, vertreten sein solle. Er wurde bereits gestern in Athen erwartet.
Deutschland hat angeboten, bis zu 200 Polizisten und 100 Asylentscheider nach Griechenland zu entsenden. Bei den Polizisten handelt es sich um Bundespolizisten, bei den Asylentscheidern um Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. In beiden Institutionen säßen Experten auf gepackten Koffern, hieß es. „Die deutsche Hilfe ist schnell herstellbar“, sagte der Sprecher von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Grünes Licht müsse die EU geben. Allerdings würden die hoheitlichen Aufgaben von der griechischen Seite wahrgenommen, fügte der Sprecher hinzu – also nicht zuletzt die Entscheidung über die Asylanträge.
„Neue Phase der Migration hat begonnen“
Seitens der EU-Kommission verlautete gestern, 20 Staaten hätten konkrete Zusagen gemacht, um auf die erforderlichen 4 000 Beamten zu kommen. Details blieben zunächst unklar. Sicher ist, dass Frankreich ebenso wie Deutschland 200 Grenzschützer und 100 Asylentscheider schicken will.
Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, forderte die 16 Bundesländer unterdessen auf, eigene Kräfte anzubieten. „Wenn jetzt von 200 Polizeibeamten vor Ort die Rede ist, dann brauchen wir de facto insgesamt 600 Beamte, die abwechselnd in Griechenland eingesetzt werden können", sagte er der Tageszeitung Die Welt.
Die der Türkei von der EU zugesagten Finanzmittel von sechs Milliarden Euro werden geteilt. Zunächst fließen drei Milliarden, davon eine Milliarde direkt seitens der EU und weitere rund zwei Milliarden von den Mitgliedstaaten. Von diesen zwei Milliarden entfallen 428 Millionen auf Deutschland. Bis 2018 werden zusätzliche drei Milliarden Euro an die Türkei überwiesen, um deren Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge zu decken. Auch hier gilt, wie Seibert erläuterte, der übliche Schlüssel von 20 Prozent für Deutschland.
Der Regierungssprecher unterstrich: „Jedem muss klar sein: Seit Sonntag hat eine neue Phase der Migration begonnen, eine Phase, in der es nicht nur teuer und nicht nur lebensgefährlich ist, sich den Schleppern anzuvertrauen, sondern auch sinnlos.“ Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, ist hingegen nicht überzeugt von dem Plan. „Positiv ist, dass Europa in der Lage war, zu einer Einigung zu kommen“, sagte er der Berliner Zeitung. „Doch ich habe Zweifel an der Realisierung. Denn viele Flüchtlinge machen sich weiterhin auf den Weg. Außerdem hat man sich bisher vieles versprochen. Und vieles wurde nicht eingehalten. Man kann nur hoffen.“
Unabhängig davon herrschen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorhabens. Denn das Grundrecht auf Asyl würde damit in der Praxis erheblich eingeschränkt. Und die Menschenrechtslage in der Türkei selbst gilt zunehmend als prekär.