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Ex-Geheimdienstchef in Brehna Ex-Geheimdienstchef in Brehna: Maaßen warnt vor Rückkehr zu DDR-Verhältnissen

Von Jan Schumann 10.11.2019, 16:59
Der frühere Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen in Sandersdorf-Brehna
Der frühere Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen in Sandersdorf-Brehna Jan Schumann

Sandersdorf-Brehna - Jetzt spricht er endlich, der frühere Geheimdienst-Präsident, deswegen sind sie am Samstagabend alle in diese Sporthalle nach Brehna gekommen. Es ist der 9. November, vor 30 Jahren fiel die Mauer. Und nun warnt Hans-Georg Maaßen, der in Ungnade gefallene und gefeuerte Verfassungsschutz-Chef, auf der Bühne vor neuen „Wendehälsen“ in Deutschland. Hier, in Anhalt-Bitterfeld, ist von Ungnade keine Spur. Hier klatschen die Leute, es reißt sie aus den Sitzen.

Wendehälse, so nannte man SED-Mitglieder, die im vereinten Deutschland schnell neue Karrieren machten - nach zügiger Distanzierung von alten Überzeugungen. Maaßen sagt nun: „Ich habe den Eindruck, dass inzwischen viele Wendehälse den Kopf wieder Richtung Sozialismus drehen.“ Er glaube, „dass 30 Jahre nach dem Fall der Mauer wieder von Sozialismus und Enteignung geträumt wird, 30 Jahre nach dem Mauerfall die alte SED, die sich dreimal umbenannt hat, stärkste Kraft in Thüringen wird, in einer unvorstellbaren Art und Weise in der Öffentlichkeit auch verharmlost wird“.

Nur Splittergruppe, aber laut

Eine schleichende Rückkehr der DDR-Verhältnisse - in der Sporthalle sehen es 150 Gäste ebenso. Gekommen ist alles, was rechts ist in der CDU - und auch darüber hinaus. Maaßen spricht auf einer Veranstaltung der Werteunion, einer CDU-Splittergruppe mit etwa 3 600 Mitgliedern. Von der Mutterpartei wird die Werteunion nicht als offizielle Gliederung anerkannt - doch polarisierende Mitglieder wie der Ex-Geheimdienstchef Maaßen verhelfen ihr zu überproportionaler Medienaufmerksamkeit. Die Mission der Werteunion: Eine „Politikwende“ ohne Kanzlerin Angela Merkel und eine Rückholaktion konservativer CDU-Wählergruppen.

Maaßen ist bekannt als notorischer Merkel-Kritiker - in Berlin gilt er aber vielen als Persona non grata. Als Inlandsgeheimdienst-Chef bestritt er im Jahr 2018 Hetzjagden während der rechtsextremen Krawalle in Chemnitz und glaubte später „linksradikale Kräfte“ in der SPD am Werk. Dies war sein Ende als Spionagechef.

In Brehna überrascht er kurz: Die Werteunion wünsche sich im Grunde nicht die CDU unter Helmut Kohl zurück. „Wir wollen sogar zu Angela Merkel zurück“, jener Angela Merkel, die mal sagte, „Multikulti ist gescheitert“. Aber, so schwingt es bei Maaßen und den Mitstreitern mit, das könne man ja nicht mehr öffentlich sagen, ohne isoliert und geächtet zu werden. Der Ex-Spitzenbeamte sieht die Meinungsfreiheit in der Republik bedroht, denkt laut über die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach. Dieser sei „weit entfernt von Meinungspluralismus und wahrhaftiger Berichterstattung“, so Maaßen. „Wir brauchen eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und wir müssen in Zeiten des Internets und der sozialen Netzwerke auch überlegen, ob wir nicht gänzlich auf diesen öffentlich-rechtlichen Rundfunk verzichten.“ Insgesamt habe er „Sorge um die Stabilität unserer Demokratie“.

Maaßen ist am rechten CDU-Rand so etwas wie eine Galionsfigur der Unzufriedenen. Ihm hängen sie hier an den Lippen. In Brehna sind konservative CDU-Landtagsabgeordnete wie Frank Scheurell und Lars-Jörn Zimmer - dieser ist Mitautor einer heftig umstrittenen „Denkschrift“, die viele Kritiker als Theorie-Wegbereiterin einer künftigen Koalition mit der AfD interpretierten.

Frontalangriff auf Kanzlerin

Auch Zimmer spielt heute mit DDR- und Diktatur-Analogien. „Wer nicht der veröffentlichten Meinung folgt, wird abgestempelt und in eine Ecke gestellt. Das kennen wir und meinten, genau dies vor 30 Jahren hinter uns gelassen zu haben“, sagt der Fraktionsvize im Landtag. „Genau wie das Gefühl, dass die Partei- und Staatsführung - ich benutze diesen Begriff absichtlich - in Berlin nicht mehr weiß, was die Bürger vor Ort wirklich denken. Und wo die wirklichen Probleme liegen.“ Es ist ein Frontalangriff auf die eigene Kanzlerin.

Aber: Koalitionen mit der AfD schließen die Werteunion-Mitglieder am Samstag auf der Bühne aus. Diese Beschlusslage der CDU sei richtig. Gekommen sind trotzdem einige AfD-Mitglieder. Darunter Vize-Landeschef Kay-Uwe Ziegler und der Abgeordnete Volker Olenicak. Zu dem Besuch von Rechtsaußen sagt Ingo Gondro, Organisator und Chef der Werteunion im Land, später: „Bei Bürgerlich-Konservativen, die vielleicht aus Frust zur AfD gegangen sind, sehe ich kein Problem. Mit denen spreche ich natürlich.“ (mz)