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Einwanderer Einwanderer: 630 Stunden Unterricht für eine bessere Integration

Von Mirja Fiedler 02.05.2006, 07:15
Deutschlehrerin Viera Stark erklärt jungen Ausländern am 25.04.2006 in Erfurt in einem Integrationskurs die Grundregeln der deutschen Sprache. (Foto: dpa)
Deutschlehrerin Viera Stark erklärt jungen Ausländern am 25.04.2006 in Erfurt in einem Integrationskurs die Grundregeln der deutschen Sprache. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Erfurt/dpa. - «Wo kann ich Geld gewinnen?» fragtDeutschlehrerin Viera Stark die sieben jungen Ausländer in ihremIntegrationskurs in Erfurt. «Spielautomat», antwortet StanislawKasimowskij. Der 19-Jährige büffelt Vokabeln, konjugiert Verben undpaukt deutsches Recht, Kultur und Geschichte. Im September 2005 kamer aus dem russischen Belgorod nach Deutschland. Wie rund 115 000andere Zuwanderer hat er im vergangenen Jahr mit dem 630 Stundenumfassenden Integrationskurs begonnen. Seit dem Zuwanderungsgesetzbildet er den Kern der staatlichen Integrationsangebote. DieAusländerbeauftragten der Bundesländer wollen die Stunden erhöhen.

Die Länderbeauftragten empfehlen, den Deutschunterricht von 600auf 900 Stunden zu erweitern und die restlichen 30 StundenOrientierungskurs zu verdoppeln. «600 Stunden Sprachunterricht sindunheimlich wenig», sagt Stark. «Viele sprechen nur hier im KursDeutsch und sind isoliert von ihrer Umgebung.» Die Lehrerin kennt dieProbleme ihrer Schüler, die aus der Türkei, der Ukraine, Bulgarien,Russland, Weißrussland, Kasachstan, Ägypten und Tunesien stammen.Vier Tage die Woche vermittelt die gebürtige Slowakin ihnen für dreiStunden das Wissen, das ihnen den Alltag in der neuen Heimaterleichtern soll.

Struktur und Kursinhalte legt das Bundesamt für Migration undFlüchtlinge (BAMF) fest. «Sprachkurse gab es schon länger, aber nichtin dieser Form», sagt Claudia Möbus vom BAMF. Besonders erfreulichsei, dass der Frauenanteil in den Integrationskursen bei 63 Prozentliege. Private und öffentliche Träger wie der Internationale Bund inErfurt setzen die Kurse mit um. Sie erhielten für jedenSpätaussiedler und Empfänger von Hartz-IV-Leistungen 2,05 Euro proUnterrichtseinheit à 45 Minuten, sagt der ThüringerBAMF-Regionalkoordinator, Thomas Ewald. Andere Teilnehmer müsstenselbst einen Euro beisteuern. «Aber wir haben ganz wenige Migranten,die im Arbeitsmarkt sind.»

Der Integrationskurs sei als Starthilfe gedacht, sagt Ewald.Verpflichtend sei er für Neuzuwanderer, die kein Deutsch sprächen understmalig eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekämen. «Der Erfolgder Integrationskurse ist unterschiedlich auf Grund desBildungsstandes, den die Teilnehmer mitbringen», sagt dieBereichsleiterin des Erfurter Jugendmigrationsdienstes, Alice Lot.Neuerdings biete sie auch einen Alphabetisierungskurs fürAnalphabeten an. «Wir haben erfolgreiche Integration erlebt, zumBeispiel Zuwanderer, die Deutsche heiraten, aber auch Menschen, diein ihrer Migrantengemeinde bleiben», sagt sie. «Es gehören immer zweidazu.»

Stanislaw scheint sich anzustrengen. Er hat in Russland dasGymnasium besucht, möchte Autoschlosser werden und hat deutscheFreunde. Motivation und Kontakt mit Deutschen sind nach denErfahrungen der Lehrerin nicht selbstverständlich. «Wir verstehen dienicht und sie verstehen uns nicht», übersetzt Stanislaw aus demRussischen die Antwort des 23-jährigen Nikolai Kuhn, der kaum mitDeutschen spricht.

Um die Motivation zu verbessern, befürwortet Stark teilweisehärtere Kriterien. «Ich weiß nicht, in welchem Land man so viel Geldbekommt, wenn man nicht arbeitet.» Zusätzlich fordert sie mehrIntegrationsprojekte, die von Deutschen initiiert werden, wieFerienlager mit deutschen und ausländischen Kindern.Auch wenn sein Deutsch nach den 460 absolvierten Stunden noch langenicht perfekt ist, weiß Stanislaw schon, worauf es ankommt imIntegrationskurs. Auf die Frage, wo er sich entspannen könne,antwortet er: «Ich entspanne meine Zukunft.»

Die jungen Ausländer (v. l.) Sergej, Stanislaw und Nikolai erlernen in Erfurt in einem Integrationskurs die Grundregeln der deutschen Sprache, aufgenommen am 25.04.2006. (Foto: dpa)
Die jungen Ausländer (v. l.) Sergej, Stanislaw und Nikolai erlernen in Erfurt in einem Integrationskurs die Grundregeln der deutschen Sprache, aufgenommen am 25.04.2006. (Foto: dpa)
dpa-Zentralbild