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«Die Zweifel wachsen» «Die Zweifel wachsen»: SPD-Spitze nimmt die Kanzlerin ins Visier

Von Joachim Schucht 31.05.2007, 15:15

Berlin/dpa. - Dochder rote Teppich für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werde schon baldeingerollt, gab die SPD-Führung frühzeitig als Parole aus.

Solange wollte Franz Müntefering nicht warten. Der Vizekanzler,der auf SPD-Seite bislang als zentraler Stabilisator im Bündnis mitder Union galt, machte bereits am Donnerstag mit deutlichen Wortenseinem Ärger über die Union Luft. Nicht zu bestreiten sei, «dass dieZweifel wachsen, ob man sich auf alle Beteiligten in dieser Koalitionverlassen kann», ließ er per Interview wissen. Wenn es auch noch imKabinett solche Risse gebe, «wäre ein kritischer Punkt erreicht».

Und gezielt in Richtung Merkel teilte er einen warnendenSeitenhieb aus - durch einen spitzen Vergleich mit ihrem SPD-Vorgänger: «Gerd (rpt Gerd) Schröder war - aus guten Gründen - immerzuerst Kanzler, das Ganze im Blick. Auch als Parteivorsitzender warer immer zuerst Kanzler.» Eine solche Rolle traut Müntefering Merkeloffensichtlich nicht zu. «Da gibt es zu viel Parteiprofilierung»,formulierte er seinen Unmut über das Amtsverständnis derRegierungschefin und CDU-Vorsitzenden.

Anlass zum wachsenden Verdruss über Merkels Führungsstil hat sichin der SPD-Spitze in letzter Zeit reichlich aufgestaut. Spätestensseit der letzten Koalitionsrunde Mitte Mai fühlt sich auchMüntefering von ihr auf dem eigenen Terrain im Stich gelassen. Vordem Treffen hatte er ihr dem Vernehmen nach ein Kompromiss-Konzeptfür eine Mindestlohn-Regelung vorgeschlagen. Trotz Zusage, darüber inder Sitzung zu reden, blieb die Kanzlerin dies schuldig.

Aus seiner Sicht ähnlich schlechte Erfahrungen mit Absprachenmusste SPD-Chef Kurt Beck vergangene Woche beim Koalitions-Streitüber den künftigen Vorsitz der Ruhrkohle-Stiftung machen. DieVerabredung, über eine einvernehmliche Lösung für den von der SPDfavorisierten und von der CDU abgelehnten Kandidaten Werner Müllerbis zum einem bestimmten Termin Stillschweigen zu bewahren, wurdedurch Wirtschaftsminister Michael Glos über den Haufen geworfen.Müller habe von sich auf den Posten verzichtet, ließ der CSU-Ressortchef vorzeitig verkünden. Ziemlich lautstark beschwerte sichBeck deswegen telefonisch bei Merkel.

Glos sowie seinen Staatssekretär Walter Otremba hat die SPD-Spitzeinzwischen als wiederholte «Brandstifter» für das Koalitionsklimaausgemacht. Zum offenen Krach kam es kürzlich, als der ehrgeizigeSpitzenbeamte eine Stellungnahme aus Münteferings Haus zu einer EU-Vorlage eigenmächtig änderte.

Bei vielen Sozialdemokraten setzt sich inzwischen der Eindruckfest, die Kanzlerin lasse ihre Parteifreunde an der langen Leineagieren, um Konflikte in den eigenen Reihen aus dem Weg zu gehen. Dassei bei der gelernten Physikerin wie bei einer Flanke im Fußball,beschreibt ein ranghoher SPD-Mann mit spöttischem Unterton ihrenFührungsstil: «Sie berechnet im Voraus jeden Punkt der Flugbahn. Abersie sieht nicht, wo sich der Ball gerade befindet.»

Einfach gefallen lassen wollen sich die Sozialdemokraten diesesAgieren auf ihre Kosten nicht länger. Die Drohkulisse, dieMüntefering und andere SPD-Größen derzeit aufbauen, signalisiert,dass auch für die Kanzlerin trotz hoher Sympathiewerte in Umfragendie bisherige Schonfrist vorbei ist.

Zur Nagelprobe für ihre Durchsetzungsfähigkeit im eigenen Lagerwill die SPD den nächsten Koalitionsausschuss am 18. Juni machen.Falls die Union sich dabei weiter gegen eine deutliche Branchen-Ausweitung für tarifliche Mindestlöhnen sperrt, stehen die Zeichen imBündnis auf Sturm. Der Ernst der Lage müsse auch der Kanzlerinbewusst sein, heißt es in der SPD-Führung. Dort sind sich nichteinmal alle sicher, ob Müntefering bei einem erneuten Affront durchdie Union noch im Amt bleiben würde. Vorsichtshalber hat die SPDbereits sämtliche Größen aus Kabinett und Partei für das darauffolgende Wochenende nach Hannover zusammengerufen.