DDR-Vergangenheit DDR-Vergangenheit: Stasi-Leute zeichen ein «objektives Bild»
Berlin/dpa. - Einer der Autoren, der frühere Vize-Minister für Staatssicherheit,Wolfgang Schwanitz, wurde bei der Diskussion am Montagabend in Berlinmit Beifall bedacht, als er darlegte: So wie es historischgerechtfertigt gewesen sei, den Sozialismus zu versuchen, so legitimsei es gewesen, dieses Vorhaben mit dem Ministerium fürStaatssicherheit zu schützen.
«Es gibt keinen Grund zur Reue», beschwor Schwanitz die Zuhörer imvollen Saal in der früheren Redaktion des «Neuen Deutschland».Anliegen des rund 1300 Seiten umfassenden, zweibändigen Buches seies, der «Verleumdungsflut» ein objektives Bild vom MfS als«Sicherheits-, Schutz- und Rechtspflegeorgan» entgegenzusetzen.Mitarbeitern des MfS sei die Rente gestohlen worden, sie seien heutegravierender verfassungswidriger Ungleichbehandlung ausgesetzt,beklagte der hohe Ex-Funktionär. Deshalb solle die Debatte mit demBuch versachlicht werden, sagte der als Generalleutnant begrüßteSchwanitz.
Alls eine 68-Jährige in der Diskussion berichtete, wie sie alsHäftling im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen Blut und Urin aus einerZelle schrubben musste, schallte ihr Gelächter entgegen: «Halten Sieden Mund, halts Maul». Die Stasi habe auch in ihrer zentralenUntersuchungshaft nach den Gesetzen der DDR gehandelt. «Es hat keineDiskriminierung gegeben, keine Folterungen», sagte aufgeregt ein Ex-Stasi-Mann. Solche Beschuldigungen seien eine Unverschämtheit, riefer, begleitet vom Beifall früherer Mitkämpfer. «Das ist ja einHorrorszenario», warf er der Frau vor.
«Für mich auch», sagte sie leise. Sie war zu vier Jahren Zuchthausverurteilt worden, weil sie zur Republikflucht verleitet haben soll.
Stasi-Opfer Hermann Pfaff gelang es noch, seine Nachtverhöre inHohenschönhausen mit Schlägen ins Gesicht anzusprechen, bevor erherausgeworfen wurde. Er gehöre wohl zu den professionellen Opfernund sei Teil einer Inszenierung, wurde ihm von Klaus Steiniger vomVerein RotFuchs vorgehalten, der den Abend organisiert hatte. DerVerein hat laut Angaben ein «marxistisch-leninistisches Profil».
Die erste Auflage des Anfang April erschienen Buches sei sofortausverkauft gewesen, berichtet der Herausgeber und Leiter von EditionOst, Frank Schumann. Das Buch sei vielleicht auch nicht die ganzeWahrheit, aber im demokratischen Diskurs müsse man das ertragenkönnen, sagte er. Noch in dieser Woche komme die Nachauflage.
Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler,treibt indes die Sorge um, dass die Akten früherer DDR-Funktionäreunter Verschluss bleiben müssen, nachdem das Bundesverwaltungsgerichtdie Herausgabe von Akten über Altkanzler Helmut Kohl (CDU) endgültiguntersagt hatte. Tätigkeit und Strukturen des Spitzelministeriumskönnten nicht weiter aufgeklärt werden, wenn DDR-Funktionäre so wieKohl vom Opferschutz profitierten.
Das will Birthler verhindern. Sie hofft auf den Bundestag. Dortist an diesem Donnerstag eine Anhörung zur Novellierung des Stasi-Unterlagengesetzes geplant.