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China empört über EU-Ehrung für Dissident Hu Jia

23.10.2008, 14:22

Straßburg/dpa. - Das Europa-Parlament hat dem inhaftierten chinesischen Bürgerrechtler Hu Jia ungeachtet chinesischer Proteste den Sacharow-Preis verliehen.

«Im Namen der Unterdrückten in China und Tibet» gab Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) am Donnerstag in Straßburg die Preisvergabe an den 35-Jährigen bekannt. Hu Jia sei ein «glühender Verfechter der Menschenrechte», der sich für Aids-Kranke und die Religionsfreiheit einsetze, sagte Pöttering.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die EU-Kommission begrüßten die Preisvergabe an den Dissidenten. Internationale Menschenrechtsgruppen bezeichneten die Auszeichnung als «starkes Signal». Der Preis werfe ein Schlaglicht auf die Verfolgung von Menschenrechtsbefürwortern, Anwälten und Journalisten in China. Die chinesische Regierung protestierte dagegen scharf gegen eine «grobe Einmischung in innere Angelegenheiten».

Aussenamtssprecher Liu Jianchao nannte Hu Jia einen «inhaftierten Kriminellen». Er äußerte «starke Unzufriedenheit» seiner Regierung, zeigte sich aber überzeugt, dass der Asien-Europa-Gipfel (ASEM) in Peking nicht beeinträchtigt werde, der sich mit der globalen Finanzkrise und dem Klimawandel beschäftigen wird. Verglichen mit den wichtigen Entwicklungen in der Welt sei die Vergabe des Preises «nicht der Rede wert», fand der Sprecher.

Merkel sagte nach Gesprächen in Peking, die Bundesregierung werde sich weiter für Hu Jias Freilassung einsetzen. Der Fall «gehört in die Kategorie der Dinge, in denen man in China und Europa unterschiedlicher Meinung ist», doch seien die Beziehungen sehr breit, sagte Merkel. Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen sendet das Europa-Parlament mit der Preisvergabe eine «Botschaft der Solidarität und Hoffnung» an alle politische Gefangenen in China.

Das Europa-Parlament setzt sich nach den Worten seines deutschen Präsidenten Pöttering «mit Nachdruck» für den täglichen Kampf um die Menschenrechte in China ein. Hu Jia war verhaftet worden, nachdem er dem EU-Parlament in einer Anhörung im November vergangenen Jahres über die Menschenrechtslage in China berichtet hatte. Er wurde im April wegen «Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt» zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen ist Hu Jia an der Leber erkrankt. Ihm werde die nötige Medizin verwehrt. Er sei mehrmals bestraft worden, weil er sich für Rechte seiner Mitgefangenen eingesetzt habe.

In der vergangenen Woche hatte die chinesische EU-Vertretung in Brüssel in einem Brief vor den Folgen einer Auszeichnung gewarnt. Die Vergabe des Preises an Hu Jia würde die Gefühle des chinesischen Volkes «wieder einmal verletzen» und den Beziehungen zwischen China und der EU «ernsthaft schaden». Auch aus den Reihen des Parlaments wurde aus Rücksicht auf die Beziehungen zu Peking davor gewarnt, den chinesischen Kandidaten zu wählen.

Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte dagegen am Donnerstag in Brüssel: «Die EU misst der Freiheit des Denkens große Bedeutung bei. Dies ist ein Eckpfeiler des demokratischen Systems». Auch China habe sich verpflichtet, diese Freiheit zu respektieren. Die EU verweise darauf immer wieder im Dialog mit China über die Menschenrechtsproblematik.

Die zwei weiteren Kandidaten für diesen Preis «für die Freiheit des Geistes» waren der frühere weißrussische Präsidentschaftskandidat Alexander Kosulin und der Vorsitzende der Unabhängigen Wahlkommission Kongos, Abbot Apollinaire Malu Malu. Der mit 50 000 Euro dotierte Preis wird am 17. Dezember zum 20. Mal vergeben. Aus Anlass des 20. Jubiläums des Preises werden alle bisherigen Preisträger zu einer Feier am 16. Dezember nach Straßburg eingeladen.

Der 1988 geschaffene Preis ist nach dem sowjetischen Dissidenten, Atomforscher und Träger des Friedensnobelpreises 1975, Andrej Sacharow (1921-1989), benannt. Unter den Preisträgern vergangener Jahre sind die birmanische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, der südafrikanische Ex-Präsident Nelson Mandela sowie die Vereinten Nationen (UN) und ihr damaliger Generalsekretär Kofi Annan.