Bundeswehr Bundeswehr: Vom Soldaten zum Sozialfall
LEIPZIG/MZ. - Robbe sprach unter anderem von 600 Fällen, in denen Soldaten, vor allem nach Afghanistan-Einsätzen, wegen posttraumatischer Belastungsstörungen Anträge auf Versorgung gestellt haben. Nicht einmal ein Drittel davon sei bislang anerkannt. Bedienstete in Sozialbehörden der Länder und Kommunen entschieden sich "offensichtlich mehrheitlich für den Staat und gegen den Betroffenen", so Robbe, obwohl der Bund die Versorgungskosten übernehme. "Es ärgert mich, dass es Soldaten gibt, die sich im Stich gelassen fühlen."
Robbe begleitete gestern einen ehemaligen Zeitsoldaten zum Sozialamt, der nach dem verletzungsbedingten Ausscheiden aus der Bundeswehr gezwungen ist, Sozialhilfe zu beantragen. Der Wurzener Steven Ruhnke (33) lebt derzeit von 123 Euro, ist nicht krankenversichert. 1995 war er bei einer Übung nahe Münster von einem Auto erfasst und lebensgefährlich verletzt worden. 1996 verunglückte er - wieder unverschuldet - mit einem Bundeswehr-Lkw. Seitdem leidet er neben den körperlichen Folgen des ersten Unfalls, die starke Schmerzmittel erfordern, unter Schlafstörungen und Depressionen. Inzwischen ist eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Seit der Entlassung aus der Bundeswehr 1998 kämpft Ruhnke - auch vor Gericht - um Anerkennung seiner Ansprüche.
"Eine korrekte Fürsorge fand bisher nicht statt", kritisierte die Deutsche Kriegsopferfürsorge. Statt dessen habe der Kommunale Sozialverband Sachsen (KSV) Leistungen "klein gerechnet", bei Umschulungen falsch beraten. Nach zehn Jahren wurde auch die zweite Umschulung gesundheitsbedingt abgebrochen. "Ich weiß nicht mehr, wie es weitergehen soll", so Ruhnke. Jetzt hat ihn der KSV zum Sozialamt geschickt. Dabei, so die Kriegsopferfürsorge, sei das gar nicht zuständig, die Ansprüche zudem wesentlich höher als der Sozialhilfesatz. Während der KSV davon spricht, alles sei "richtig gelaufen", fühlt Ruhnke sich vom Amt allein gelassen und eingeschüchtert.
Jahrelange Verfahren
Das Beispiel Ruhnke sei kein Einzelfall, so Andreas Timmermann-Levanas von der Kriegsopferfürsorge. "Wir erleben viele Fälle, in denen Soldaten nach fünf, teilweise nach zehn Jahren noch auf ihre Versorgung warten." Nach dem Selbstmordattentat 2003 in Kabul, bei dem vier deutsche Soldaten getötet und 29 verletzt wurden, seien etliche von ihnen immer noch nicht mit ihren Verfahren durch. Laut Verteidigungsministerium steigt die Zahl der Anträge wegen posttraumatischer Belastungsstörungen rasant. 2009 seien es 109 gewesen, in diesem Jahr schon 197.