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Auktion Auktion: Wer kauft DDR-Mauerteile mit Tür?

Von Winfried Wagner 17.09.2008, 14:41
Ein Mann schaut sich in Teetzleben im Kreis Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) vier Teile der ehemaligen Berliner Mauer an. (Foto: dpa)
Ein Mann schaut sich in Teetzleben im Kreis Demmin (Mecklenburg-Vorpommern) vier Teile der ehemaligen Berliner Mauer an. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Altentreptow/Berlin/dpa. - BäuerlicherPragmatismus hat aber dafür gesorgt, dass einige dergeschichtsträchtigen Mauersegmente in der mecklenburgischen Provinzerhalten blieben und an diesem Freitag zur Versteigerung angebotenwerden. «Das waren ursprünglich Betonelemente für den Silobau», sagtein früherer Chef der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft(LPG) aus der Nähe von Altentreptow, der seinen Namen in diesemZusammenhang aber nicht genannt wissen will. Diese Segmente seiendann für den Mauerbau zweckentfremdet worden.

Gleich 600 solcher Mauerteile waren 1990 auf Initiative der LPGPflanzenproduktion Breesen in den Nordosten geholt worden. Alspreiswertes Baumaterial auch für den Agrarbetrieb in Teetzleben, dersich gerade auf den Weg in die Marktwirtschaft machte. «Verkauf ausDemontage» steht auf der von den DDR-Grenztruppen ausgestelltenQuittung, die der frühere LPG-Chef noch vorlegen kann. Für 200Betonteile bezahlte die Genossenschaft kurz vor der Währungsunion37 000 DDR-Mark.

Vier der tonnenschweren «Winkelstützelemente Typ UL 12.41», jedes3,60 Meter hoch und 2,8 Tonnen schwer, sollen an diesem Freitag beieiner Auktion in Berlin versteigert werden und damit nursprichwörtlich unter den Hammer kommen. Das Mindestgebot liege bei4000 Euro, sagt Hans Peter Plettner, Sprecher der DeutschenGrundstücksauktionen AG in Berlin.

Die zum Selbstabholen angebotenen Teile hatten zwischen PotsdamerPlatz und Checkpoint Charlie gestanden und tragen Spuren der«Mauerspechte», die sich bunte Andenken aus dem Beton geschlagenhatten. Eines der Betonelemente weist überraschender Weise sogareinen Durchlass auf. «Die Tür war für Revisionszwecke», erklärtPlettner. Solche Teile mit tresorartiger Schlupftür soll esHistorikern zufolge rings um Berlin nur sechs oder acht Mal gegebenhaben. Die Tür selbst ist aus Stahl, so dick wie der Beton, und ließsich nur von der DDR-Seite aus öffnen. «Da konnte man nachschauen,aber auch Leute durchschleusen, die nicht gesehen werden sollten»sagt Plettner.

Mauerteile seien noch immer sehr gefragt, betont er. DasAuktionshaus habe bereits mehr als 50 davon versteigert, die meistdas Vierfache des Anfangsgebotes brachten. Es habe Käufer ausItalien, Frankreich und der Schweiz gegeben, selbst aus demamerikanischen San Diego, dem kanadischen Anchorange und sogar ausdem Vatikan.

Dass die Teile aus Teetzleben knapp 20 Jahre nach dem Mauerfallnoch einmal eine neue Verwendung finden würden, hatte sich derdamalige LPG-Chef wohl nicht träumen lassen. Man habe vor Jahrenschon einmal den Verkauf per Annonce versucht, aber vergeblich. Mitdrei Traktoren und drei Lastwagen waren die Mauersegmente 1990 immernachts auf der B 96 nach Norden transportiert worden, eine Fahrtdauerte mehr als zwölf Stunden. «Das war nicht ungewöhnlich, dieLPG'n waren damals die häufigsten Käufer von Mauerteilen», hatPlettner ergründet.

Die Betonelemente wurden fast alle in Futtersilos verbaut, nur dievier letzten, die jetzt in einem Lagerhaus stehen, lagen lange aufeiner Wiese, als Abgrenzung für Mutterkühe. Man habe sie wegen derSchäden nicht gebrauchen können. «Da wäre Frischluft an die Silagegekommen und das Futter wäre schlecht geworden», sagt ein Landwirt.

Die Grenze um Westberlin war knapp 160 Kilometer lang. Für die 46Kilometer Mauer waren 45 000 Betonelemente aufgestellt worden. Mehrals 200 Menschen verloren zwischen 1961 und 1989 bei Fluchtversuchendort ihr Leben. Nach Erkenntnissen von Historikern hatte der spätereDDR-Staatschef Erich Honecker, damals im Zentralkomitee der SED fürSicherheitsfragen zuständig, den Mauerbau im Auftrag von StaatschefWalter Ulbricht unter strengster Geheimhaltung geplant. Mit seinerPrognose allerdings lag Honecker 1989 daneben: Statt 100 Jahre standdie Mauer nicht einmal 30 Jahre.