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Augsburg Augsburg: Die respektlose Partei-Jugend

Von Markus Decker 23.10.2005, 16:30
Der CDU-Steuerexperte Friedrich Merz spricht am Samstag (22.10.2005) beim Deutschlandtag der Jungen Union (JU) in der Augsburger Kongresshalle. (Foto: dpa)
Der CDU-Steuerexperte Friedrich Merz spricht am Samstag (22.10.2005) beim Deutschlandtag der Jungen Union (JU) in der Augsburger Kongresshalle. (Foto: dpa) dpa

Augsburg/MZ. - Die nötige Härte verschaffte sich Mißfelder, als er die These vertrat, Greise sollten keine neue Hüfte mehr bekommen. Da kochte das Land über "Miesfelder".

Tabus gebrochen

Eine Woche vor dem Deutschlandtag der Jungen Union in Augsburg begann deren Chef, einen Zünder scharf zu machen. Er gab Interviews in Serie und brach Tabus. Zunächst verlangte er die Aufarbeitung der Wahlschlappe vom 18. September, obwohl die CDU-Vorsitzende Angela Merkel diese Aufarbeitung unterbinden wollte. Später legte der Bundestagsabgeordnete nach. Er machte CSU-Chef Edmund Stoiber wegen seiner Angriffe auf die Ostdeutschen für die Schlappe mitverantwortlich. So provozierte Mißfelder die Führung. Der sorgsam präparierte Zünder explodierte mit Wucht. In Augsburg.

Zunächst haben Mißfelders Leute Stoiber eine Abreibung verpasst. Zwar räumte Stoiber manches ein. Man sei im Wahlkampf zu weit weg gewesen von den Leuten. "Unsere sozialen Leistungen für die Familien sind zu wenig durchgedrungen." Er nahm nicht Reißaus in Beschönigung. Die Jung-Unionisten freilich wollten mehr. Sie fragten und sie schlugen ihn: Warum haben Sie die Ostdeutschen beleidigt? Warum erkennen Sie die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin nicht an? Warum haben Sie statt des Wirtschaftsministeriums nicht das Finanzministerium genommen? Warum kassieren Sie Teile des Wahlprogramms, bevor die Koalitionsverhandlungen begonnen haben? Warum machen Sie Horst Seehofer zum Minister?

Stoiber stand wie ein Boxer in der Ecke. Und wehrte sich dann. "Ich bin bereit, unter der Richtlinienkompetenz von Frau Merkel einen Beitrag zu leisten für Deutschland; mehr Solidarität kann ich nicht erbringen", rief er. Die Äußerungen über die Ostdeutschen seien "nicht hilfreich" gewesen. Ganz sicher hätte man sich nicht so eng an die FDP binden sollen.

Für Stoibersche Verhältnisse war das ein Kotau. Vera Wucherpfennig aus Göttingen reichte er nicht: "Alles auf die FDP zu schieben, ist Realitätsverlust. Sie haben Frau Merkel geschwächt. Das schadet CDU und CSU. Das darf nicht sein." Stoiber konterte häufiger mit dem Satz: "Ich akzeptiere nicht, dass..." Es war an Mißfelder, das Schauspiel zu beenden: "Ich habe noch nie erlebt, dass jemand sich so offen der Diskussion stellt."

Der Aburteilung Stoibers folgte der Gottesdienst zu Ehren von Friedrich Merz. Der renitente Finanzexperte, in der Unions-Führung unten durch, ist beim Nachwuchs Kult. Merz rühmte Merkels Reformbereitschaft. "Nicht nur die Große Koalition hat ihre Chance verdient, auch Angela Merkel. Ich lehne es ab, die Richtlinienkompetenz einer Bundeskanzlerin öffentlich in Frage zu stellen." Das ging abermals gegen Stoiber, den Merz so wenig mag wie Merkel. Mit Wollust widmete sich der Sauerländer dann dem Wahlergebnis. "In fünf von 16 Bundesländern hat die Union keinen Wahlkreis mehr direkt gewonnen." Sie sei zum dritten Mal hintereinander unter 40 Prozent geblieben. Der größte Fehler sei gewesen, dass man Rot-Grün die Offensive überlassen habe.

Die Augsburger Kongresshalle tobte. Als Merz das Jackett auszog, rollte die erste La-Ola-Welle durch den Saal. Am Ende sangen sie: "Es gibt nur einen Friedrich Merz!" Oder: "Wir haben ein Idol - Friedrich Merz!" Party statt Politik.

Merkel nicht gesteinigt

Merkel wurde nicht gesteinigt. Geschenkt hat man ihr nichts. Der nordrhein-westfälische JU-Chef Hendrik Wüst warnte vor einer "Rückkehr zur Sozialromantik". Sein Landsmann Dominik Risse hielt Merkel unter die Nase, dass sie "eines der schlechtesten Wahlergebnisse in der Geschichte der CDU" zu verantworten habe. Und ein Jungspund bemerkte rotzfrech: "Frau Merkel, Sie sind heute rot gekleidet. Ich hoffe nicht, dass das eine politische Aussage ist." Spätestens da war klar, dass die JU Merkel zur Last legt, jetzt mit der Linken kooperieren zu müssen. Die wehrte sich wacker: "Meine Seele bleibt schwarz."