Arbeitsmarkt Sachsen-Anhalt Arbeitsmarkt Sachsen-Anhalt: 50.000 Menschen beziehen seit zehn Jahren Hartz IV

Halle (Saale) - Schnelle Vermittlung in Arbeit, kein jahrzehntelanger Bezug von Sozialleistung - das waren zwei der wichtigsten Ziele bei der Hartz-Gesetzgebung. Zehn Jahre später zeigt sich in Sachsen-Anhalt, dass dieser Anspruch längst nicht in allen Fällen eingelöst wurde. Jeder vierte Hartz-IV-Empfänger im Land ist seit der Einführung am 1. Januar 2005 ununterbrochen auf die Mindestsicherung angewiesen. Bei den Über-55-Jährigen ist das Bild sogar noch kritischer. Bei dieser Gruppe bezieht jeder dritte seit zehn Jahren Hartz IV.
Forderung nach dauerhafter sozialer Beschäftigung
Der Leiter der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit, Kay Senius, sieht angesichts der Zahlen die Reform aber nicht als gescheitert: „Insgesamt ist in Sachsen-Anhalt die Zahl der Hartz-IV-Empfänger um 27 Prozent und damit überdurchschnittlich gesunken.“ Bundesweit seien es nur 16,2 Prozent. In Sachsen-Anhalt treffen laut Senius mehrere Negativmerkmale aufeinander. So sei der Arbeitsmarkt immer noch deutlich schwieriger für gering qualifizierte als in anderen Bundesländern. Zudem liege der Anteil der Über-55-Jährigen von allen Hartz-IV-Empfängern mit 20,6 Prozent deutlich über dem Bundesschnitt. „Diese Gruppe ist aber sehr viel schwerer in ein normales Arbeitsverhältnis zu vermitteln“, sagte Senius.
Der Chef der Regionaldirektion fordert deswegen eine dauerhafte soziale Beschäftigung für Langzeitarbeitslose. Dazu gehören beispielsweise Jobs bei Sportvereinen, Kultureinrichtungen oder Pflegeheimen. Die bisherigen Maßnahmen wie die im vergangenen Jahr ausgelaufene Bürgerarbeit seien dagegen immer nur befristet gewesen. Der Vorsitzende des DGB Sachsen-Anhalt, Udo Gebhardt, unterstützt die Forderung des Agenturchefs. „Der Glaube, alle Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, ist eine Lebenslüge von Hartz-IV.“
Sachsen-Anhalt steht beim ununterbrochenen Leistungsbezug im ostdeutschen Vergleich eher schlecht da. So beziehen in Thüringen 22,3 Prozent der Hartz-IV-Empfänger seit zehn Jahren die Mindestsicherung. In Mecklenburg-Vorpommern sind es laut der Regionaldirektion Nord etwa 18 Prozent. Für Brandenburg und Sachsen liegen keine Zahlen vor.
Auch bei den Aufstockern sieht es in den beiden anderen ostdeutschen Bundesländern besser aus. So beziehen in Thüringen rund 20 Prozent seit zehn Jahren ergänzend Hartz IV. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 19 Prozent. Spezifisch für die ostdeutschen Länder ist die hohe Zahl der Über-55-Jährigen, die ununterbrochen auf Hartz IV angewiesen sind.
Aufstocker profitieren nicht vom neuen Mindestlohn
Doch nicht nur bei den älteren Hartz-IV-Empfängern ist der Dauerbezug weit verbreitet. Auch bei den Unter-25-Jährigen bezieht jeder fünfte seit zehn Jahren Hartz IV. Bei diesen rund 5.000 jungen Menschen hat sich der Leistungsbezug von den Eltern auf die Kinder damit quasi vererbt. Deutschlandweit betrifft das 21 Prozent der Unter-25-Jährigen Hartz-IV-Empfänger. Sachsen-Anhalt liegt damit leicht unter dem Bundesschnitt.
Ununterbrochener Hartz-IV-Bezug bedeutet aber nicht dauerhafte Arbeitslosigkeit. Darunter sind auch 13.500 sogenannte Aufstocker. Bei ihnen reicht der Arbeitslohn nicht zum Leben, sie müssen zusätzlich ergänzend Hartz IV beziehen. „Das ist für viele eine bittere Erfahrung“, sagt Senius.
Die wenigsten von ihnen werden aber von der Einführung des Mindestlohnes zu Beginn dieses Jahres profitieren. Viele der Aufstocker - in Sachsen-Anhalt sind es insgesamt 63.000 - arbeiten nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Teilzeit oder haben Familie mit Kindern. Selbst mit dem neuen Mindestlohn von rund 1 400 Euro brutto im Monat kämen sie somit nicht über die Hartz-IV-Grenze. Nur etwa fünf Prozent der Aufstocker seien künftig nicht mehr auf Hartz IV angewiesen. (mz)