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Afghanistan-Einsatz Afghanistan-Einsatz: Ein Verfahren mit Signalwirkung

Von MARKUS DECKER 06.03.2009, 19:46

BERLIN/MZ. - Am 28. August vergangenen Jahres schoss ein 27-jähriger Oberfeldwebel der Bundeswehr an einem Checkpoint nahe der nordafghanischen Stadt Kundus auf ein Auto, dessen Fahrer mit hoher Geschwindigkeit und trotz mehrerer Warnschüsse auf einen deutschen Schützenpanzer zufuhr. Der Oberfeldwebel wähnte einen motorisierten Selbstmordattentäter vor sich. Seine Kugeln aber trafen eine Frau und zwei Kinder - tödlich. Seither ermittelt die in Frankfurt (Oder) sitzende Staatsanwältin Anette Bargenda und geht der Frage nach: Warum hat der Soldat geschossen? Und: Hätte er es vermeiden können?

Antworten zu finden, ist schwierig. Bargenda ermittelt, weil der Soldat aus dem brandenburgischen Storkow kommt. Das gehört zu ihrem Beritt. Nur: Von Auslandseinsätzen der Bundeswehr hat die Juristin keine Ahnung. Woher auch? Zunächst hatte sie Probleme, mit dem Betroffenen zu sprechen. Denn der absolvierte seine restliche Einsatzzeit am Hindukusch. Mittlerweile sind alle beteiligten Soldaten vernommen. Das reichte Bargenda zur eigenen Urteilsbildung nicht. In dieser Woche hat sie die gesamte Szene nachstellen lassen - im Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg.

"Das Ergebnis steht noch aus", sagt der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch. "Aber ich denke, es kann nicht mehr allzu lange dauern, bis der Junge endlich Gewissheit hat, ob das Verfahren eingestellt wird oder nicht." Mit Blick auf die Länge der Ermittlungen fügt der Verbands-Funktionär hinzu: "Wir müssen da grundsätzlich ran. Wir sind der Auffassung, dass ein Gerichtsstand mit einer extra Kammer festgelegt werden müsste, so dass Expertise da ist. Es ist ja Wahnsinn, dass man durch technische Rekonstruktion rauskriegen will, was war." Für eine derartige Zentralisierung sprach sich jetzt auch Verteidigungs-Staatssekretär Christian Schmidt (CSU) aus.

Doch auch wenn es eine solche Kammer dereinst geben sollte, ändert dies nichts an der Grundsatzfrage: Was dürfen Soldaten zum Selbstschutz und zum Schutz ihrer Kameraden tun, ohne sich selbst in juristische Gefahr zu bringen? Kirsch findet: "Wenn das Verfahren nicht eingestellt würde, wäre das absolut fatal." Für den einzelnen und wegen der Signalwirkung. Denn dann müssten sich Soldaten überlegen, ob sie überhaupt noch in Auslandseinsätze gehen.

Der Oberfeldwebel aus Storkow, so heißt es, sei so oder so "schwer belastet. Er hat zu verkraften, dass er im Rahmen seiner Auftragserfüllung drei Menschen erschossen hat." Ob er überdies angeklagt wird, dürfte sich bald klären.