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40 Jahre Elysée-Vertrag 40 Jahre Elysée-Vertrag: Abgeordnete erinnern an historisches Ereignis

20.01.2003, 10:56
Schröder und Chirac. (Foto: dpa)
Schröder und Chirac. (Foto: dpa) dpa

Versailles/dpa. - Die Polsterbänke mit den roten Samtüberzügen sind abgestaubt. Die Technik für die Medien ist installiert, und die Speisenfolge für die mittägliche Stärkung der Abgeordneten steht. Schloss Versailles, geschichtsträchtiges Prunkwerk des europäischen Barock und ein Jahrhundert lang Residenz der französischen Könige, ist auf eine ganz besondere Premiere vorbereitet. Erstmals hat die französische Nationalversammlung mit dem Deutschen Bundestag ein ganzes Parlament zu einer gemeinsamen Sitzung eingeladen. Symbolkräftig werden am Mittwoch 40 Jahre deutsch-französischer Aussöhnung begangen. «Simple», schlicht und sparsam also, werde gefeiert, so betont Paris nach der Diskussion in Deutschland über diese vermeintliche «Sause» ihrer Volksvertreter.

Das Schloss des Sonnenkönigs Louis XIV., heute ein erstrangiger Touristenmagnet, war während der Französischen Revolution 1789 einer der Hauptschauplätze. 1870 von den Deutschen besetzt, steht Versailles auch für die lange Zeit blutiger deutsch-französischer Geschichte. Im Spiegelsaal wurde 1871 das Deutsche Reich ausgerufen und Wilhelm I. zum Kaiser proklamiert. Und 1919 besiegelte der Friedensvertrag von Versailles die Niederlage der Deutschen im Ersten Weltkrieg - ein historischer Tag, der jedoch noch nicht zur Aussöhnung führen sollte.

Die deutschen und französischen Parlamentarier treffen sich aber nicht im Spiegelsaal, um Präsident Jacques Chirac und Bundeskanzler Gerhard Schröder zu lauschen. Die gemeinsame Sitzung auf roten Bänken ist im Südflügel mit dem größten Halbrundsaal Frankreichs vorgesehen. Die Tagungsorte von Nationalversammlung und Senat hätten nicht genügend Sitze geboten. Hier im Parlamentssaal haben etwa 900 Abgeordnete Platz; er reicht also wohl aus, da nicht alle teilnehmen werden. In diesem Halbrund wurden in der III. und IV. Republik zwölf Präsidenten gewählt. Seit 1958 wird dieser Saal nur selten genutzt.

Vor den Reden kommt allerdings die Speisung. In der prächtigen Schlachtengalerie blicken nicht nur Generäle und Marschälle aus Gips auf die Hunderten von Abgeordneten - an den Wänden spielen sich auf Großgemälden entscheidende Momente der französischen Kriegskunst ab. Beim Menü wird auf Sparkurs und - ein Zugeständnis der französischen Gaumenexperten! - ausdrücklich auf die Vegetarier unter den Deutschen Rücksicht genommen: «Die Vorspeise können alle essen. Und dann wird neben Fleisch also Fisch angeboten, mit viel Gemüse.» Mehr wollten die Organisatoren dieser parlamentarischen Premiere aber noch nicht verraten. Nur noch so viel: Der gereichte Weißwein ist ein deutscher Riesling, und der Rote natürlich ein Franzose. Jedoch keine Austern oder Trüffeln, keine leckere Gänseleberpastete und kein Champagner.

Nach dem Mahl können sich die Volksvertreter von beiderseits des Rheins nach freier Wahl in dem Halbrund mischen. Auf der Tribüne der Zuschauer verfolgen deutsch-französische Schulklassen das Geschehen, bevor dann im Chor die Nationalhymnen gesungen werden. Und das alles in deutsch-französischem Einklang. Von Kritik in Deutschland an der «teuren» Reise der Abgeordneten hat die französische Seite sehr wohl gehört. Auf einen angemessenen Rahmen und würdevolle Etikette für das Jubiläum bedacht, haben die Franzosen das zwar nicht ganz verstanden, sich aber eingestellt - als Geschenke gibt es schlicht Sondermarken.