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Offener Streit um Opel-Rettungskonzept

24.05.2009, 17:52

Berlin/dpa. - Unmittelbar vor der Entscheidung im Übernahme-Rennen um den angeschlagenen Autobauer Opel ist in der großen Koalition offener Streit ausgebrochen.

Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) und SPD-Fraktionschef Peter Struck gingen auf Distanz zu Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der eine Insolvenz des Autobauers als denkbare Lösung untermauert hatte.

In Berlin kommt an diesem Montag eine Ministerrunde zusammen, um über Opel zu beraten. Es gibt drei Übernahmeangebote - vom italienischen Autokonzern Fiat, dem österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna und dem US-Investor Ripplewood. Die Entscheidung muss in dieser Woche fallen, da sich bis Monatsende auch die Zukunft des US-Mutterkonzerns General Motors (GM) klären soll.

SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa: «Ich rate allen, endlich mit dem Gerede über eine Insolvenz von Opel aufzuhören.» Die Bundesregierung müsse ihre ganze Energie darauf richten, möglichst viele Arbeitsplätze bei dem Autobauer zu retten, «statt ständig mit neuen Schreckgespenstern zu hantieren». Ein echter Bieterwettbewerb trage dazu bei, dass die Risiken für eine staatliche Hilfe eingegrenzt werden könnten. In Nürnberg sagte Steinmeier, er gehe davon aus, dass die Entscheidung der Bundesregierung über einen Investor in der ersten Hälfte der Woche falle.

Nach Angaben von «Spiegel Online» telefonierte Steinmeier am Samstag mit dem Chef der Opel-Mutter GM, Fritz Henderson, über die Übernahmekonzepte. SPD-Fraktionschef Struck sagte in der ARD mit Blick auf Guttenberg: «Von Insolvenz zu reden, ist schon sehr leichtfertig, es wird im Grunde suggeriert: Das Unternehmen ist überhaupt nicht zu retten.»

Guttenberg wies die Kritik zurück: «Man kann in einer geordneten Insolvenz ein Unternehmen auch weiterführen. Man kann weiterhin Verhandlungen führen, man kann aus einer anderen Verhandlungsposition heraus mit entsprechenden Interessenten arbeiten.»

Der Wirtschaftsminister hält die Angebote, bei denen Magna die besten Chancen eingeräumt werden, bislang für unzureichend. Der «Bild am Sonntag» sagte er, drei Angebote lägen vor. «Das bedeutet aber nicht, dass eines davon automatisch und zwingend zum Tragen kommt. Zuvor müssen wir eine hohe Sicherheit dafür haben, dass die erheblichen Steuermittel, die wir dafür einsetzen müssen, nicht verloren gehen. Diese Sicherheit gewährleistet bislang aus meiner Sicht noch keines der drei Angebote in ausreichender Weise.» Die Konsequenzen sind für ihn klar: «Bliebe es bei diesen Defiziten, wäre eine geordnete Insolvenz die klar bessere Lösung.»

Dagegen sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), in dessen Land das Werk Rüsselsheim liegt, dem ZDF: «Eine Insolvenz von Opel ist das Ende von Opel.» Auch Opel-Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz nannte Guttenbergs Insolvenz-Äußerung in der «Bild»-Zeitung «unverständlich und völlig kontraproduktiv».

Koch verlangte von den Interessenten mehr finanzielles Engagement. «Es kann nicht sein, dass alle Risiken vom Staat abgedeckt werden», sagte er dem «Handelsblatt» (Montag): «Wir wollen motivierte Unternehmer als neue Eigentümer haben, die wissen, dass sie über viel Steuerzahlergeld entscheiden (...) Der beste Weg diese Motivation zu zeigen ist, dass man selbst etwas riskiert.»

Fiat-Chef Sergio Marchionne hat für den Fall einer Opel-Übernahme den Beschäftigten mittlerweile weitgehende Garantien zugesichert. Der «Bild am Sonntag» sagte er: «Im ungünstigsten Fall wären in Deutschland maximal 2000 Arbeitsplätze durch die Integration von Opel in ein schuldenfreies Gemeinschaftsunternehmen mit Fiat betroffen.» Nach seinen Worten bekennt sich Fiat zudem «insbesondere zum Betriebsverfassungsgesetz und der Mitbestimmung». Laut «Frankfurter Allgemeiner Zeitung» hat Fiat bei der Nachbesserung die benötigte Bürgschaft um eine Milliarde reduziert und einen Rückzahlungstermin genannt: «6 Milliarden Euro benötigte Staatsbürgschaften, garantierte Rückzahlung binnen vier Jahren», heiße es darin.

Nach dpa-Informationen sieht das Magna-Konzept den Abbau von 2600 Arbeitsplätzen in Deutschland vor - davon 2200 der 5000 Bochumer Jobs. Das hätten aber Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und der Bochumer Betriebsrat bei einem Treffen mit Magna-Managern am Samstag einhellig abgelehnt. Damit habe das Werk keine Perspektive mehr, zitiert die «Welt am Sonntag» den Betriebsratschef Rainer Einenkel.

«Zeit Online» berichtet von weit reichenden Zugeständnissen an die Gläubigerbanken und den Bund durch den österreichisch-kanadischen Zulieferer. Das von Magna und der russischen Sberbank gemeinsam eingereichte Übernahmekonzept sehe einen festen Rückzahlungsplan für die Verschuldung der neuen Opel-Gesellschaft (NewOpel) und eine Dividendensperre für die künftigen Anteilseigner vor.

Auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) wies die Überlegungen Guttenbergs zu einer Insolvenz von Opel zurück. «Wir wollen nicht abwickeln, sondern wir wollen, dass Opel in Deutschland und Europa weiter besteht», sagte er in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». Im Zentrum müssten jetzt die Verhandlungen über die drei vorliegenden Übernahmekonzepte stehen. Er gehe davon aus, dass an diesem Montag eine erste Bilanz gezogen werde. Beck favorisiert weiterhin das Magna-Konzept als «eindeutig für die Republik das beste», auch wenn über die dort vorgesehene Arbeitnehmerzahl für das Opel-Werk in Bochum nachverhandelt werden müsse