1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Naturmonument weckt Interesse: Naturmonument weckt Interesse: Ehemaliger DDR-Todesstreifen als Vorbild für Südkorea?

EIL

Naturmonument weckt Interesse Naturmonument weckt Interesse: Ehemaliger DDR-Todesstreifen als Vorbild für Südkorea?

18.10.2018, 08:32
Jae Kyong Chun (r) vom National Nature Trust aus Südkorea, Anja Siegesmund (l), Thüringens Umweltministerin, und Ingrid Werres (M), Projektmanagerin ·Grünes Band· für die Stiftung Naturschutz Thüringen, besichtigen im Wartburgkreis das Grüne Band auf der ehemaligen innerdeutschen Grenze.
Jae Kyong Chun (r) vom National Nature Trust aus Südkorea, Anja Siegesmund (l), Thüringens Umweltministerin, und Ingrid Werres (M), Projektmanagerin ·Grünes Band· für die Stiftung Naturschutz Thüringen, besichtigen im Wartburgkreis das Grüne Band auf der ehemaligen innerdeutschen Grenze. dpa-Zentralbild

Eisenach/Seoul - „Ich wollte das selbst sehen“, sagt Chun Jae Kyong. Der Südkoreaner steht an einem sonnigen Oktobertag im thüringischen Ifta auf dem Kolonnenweg, wo bis 1989 DDR-Militärfahrzeuge an der innerdeutschen Grenze patrouillierten.

Chun vom staatlich geförderten südkoreanischen National Nature Trust hat zusammen mit der Umweltexpertin Hwang Eun Ju Tausende Kilometer zurückgelegt, um ein Gebiet zu sehen, von dem er nach eigenem Bekunden schon viel gelesen hat: das Grüne Band. Ein Naturrefugium durch Deutschland, zu dem sich der einstige Todesstreifen 29 Jahre nach dem Mauerfall entwickelt hat.

Wem gehören die Flächen am Grünen Band?

Eingeladen zu dem Spaziergang auf dem verwitterten Betonweg durch recht wilde Natur mit bunt gefärbten Blättern hat die Südkoreaner Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne). Sie will das Grüne Band per Gesetz als Naturmonument schützen. Immerhin sei es in Thüringen 763 Kilometer lang - etwa die Hälfte der Gesamtlänge durch Deutschland und etwa drei Mal so lang wie die Grenze zwischen Nord- und Südkorea mit knapp 250 Kilometern.

Das Gesetz habe zwei Ziele: die Perlenkette verschiedener Biotope zu erhalten und gleichzeitig einen erlebbaren Erinnerungsort an die deutsche Teilung zu bewahren. Als Siegesmund hörte, dass zur Europäischen Grüne-Band Konferenz, die noch bis Freitag auf der Wartburg bei Eisenach läuft, auch Vertreter aus dem geteilten Korea kommen, war für sie klar: „Die musst du treffen.“

Bei dem Spaziergang an dem geschichtsträchtigen Ort nahe der Landesgrenzen von Thüringen und Hessen wird viel diskutiert. Chun stellt immer wieder Fragen: Wem gehören die Flächen am Grünen Band? Wer hat sie gekauft? Sieht der Kolonnenweg überall so aus? Gibt es Lücken im Grünen Band? Was steht in dem Thüringer Gesetz das der Landtag möglicherweise im November nach mehr als einjähriger Debatte beschließt?

Demilitarisierte Zone auf koreanischer Halbinsel ist üppiges, naturnahes Ökosystem

Auf der koreanischen Halbinsel zieht sich die demilitarisierte Zone (DMZ), von der Hwang spricht, ebenfalls wie ein grünes Band zwischen dem südlichen und nördlichen Teil entlang. Naturschützer schätzen die vier Kilometer breite Pufferzone als üppiges, naturnahes Ökosystem. Es ist fast unberührt von Menschen, eine Art Niemandsland. Doch die Reihen von übermannshohen Elektrozäunen, Stacheldraht und Gräben genau an der Demarkationslinie zwischen Süd- und Nordkorea, die zahlreichen Beobachtungsposten und patrouillierenden Soldaten erinnern daran, dass sich hier die am stärksten gesicherte Grenze der Welt befindet.

Ingrid Werres von der Thüringer Stiftung Naturschutz erzählt, dass das Land von der Bundesregierung 4000 Hektar Land im und am Grünen Band erhielt. Aber es seien auch Flächen in Privatbesitz. Chun berichtet, dass in der DMZ etwa 40 Prozent der Flächen in privater Hand seien. „Das ist ja wie bei uns“, stellt Siegesmund fest. Sie ermuntert ihre Gäste, so viel wie möglich zu erwerben. „Wer die Flächen hat, kann Naturschutz betreiben.“

In Südkorea solle ein Programm zum Flächenerwerb starten, sagt Hwang. Dafür würden auch Spenden gesammelt. Ein Gesetz sichere, dass die vom Trust gekauften Flächen nur dem Naturschutz dienen. Aber die Preise seien in kurzer Zeit gestiegen. Auf Fragen, wie sich Nordkorea verhalte, antwortet sie ausweichend: „Es gibt keinen direkten Kontakte.“

Doch immerhin beschlossen Süd- und Nordkorea bei ihrem Gipfeltreffen im April 2018, die militärischen Feindseligkeiten „im Konfrontationsgebiet inklusive der DMZ“ hinter sich zu lassen. An einigen Stellen wurde sogar mit der Räumung von Landminen begonnen.

Die Südkoreaner wollen in Thüringen nicht nur wissen, was gut läuft. Sie wollen auch aus Fehlern lernen, die das wiedervereinigte Deutschland beim Naturschutz beging. Vielleicht wäre es besser gewesen, den Grenzstreifen gleich als Nationalpark, oder - wie in Thüringen geplant - als Naturmonument auszuweisen, meint Chun.

Als dann alle am ehemaligen Grenzwachturm stehen, äußert die koreanische Umweltexpertin Hwang ihre Hoffnung, dass die Wiedervereinigung von Süd- und Nordkorea kommt. „Aber noch stehen viele Soldaten auf beiden Seiten.“ Siegesmund versucht es mit Zuversicht: „In der DDR hat auch die Umweltbewegung zur friedlichen Revolution beigetragen.“ (Simone Rothe und Dirk Godder, dpa)