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«Kyrill» erreicht Sylt «Kyrill» erreicht Sylt: Sandverluste und Dünenabbrüche erwartet

Von Timo Lindemann 18.01.2007, 21:34

Westerland/Sylt/dpa. - Denn heute ist alles anders - der Sturm kommt. Bis zum Abend habe die Feuerwehr keine nennenswerten Einsätze gehabt, auch Schäden seien ausgeblieben, berichtet Westerlands Bürgermeisterin Petra Reiber. Aber sie weiß: Die Schäden werden kommen. Es wird große Sandverluste und Dünenabbrüche geben. Noch weiß keiner, wie schlimm es wird.

Für gewöhnlich kreischen hier lauthals die Seemöwen. Jetzt haben sie sich schon lange verkrochen. Der Pegel sollte gegen Mitternacht das mittlere Hochwasser um rund drei Meter übertreffen. Die Uferpromenade Westerlands werde dann von der Gischt der schwersten Sturmflut seit 1981 überspült, sagt Reiber.

Stundenlang blies der Wind ohne Pause. Einheimische und Touristen hatten sich auf «Kyrill» eingestellt. «Die Insulaner sehen es noch gelassen, aber die Befürchtungen der Touristen waren noch nie so groß», erzählt Jutta Vielberg von Sylt Marketing. Bereits am Nachmittag bricht Ruth Springkemper, die aus Duisburg zu Gast ist, auf in die sichere Ferienwohnung. «Wir wollen zu Hause sein, wenn der Sturm kommt.» Es sei alles vorbereitet, sagt sie. «Die Blumenkübel sind vom Balkon geräumt, damit nichts gegen die Fenster wehen kann. Wir haben Teelichte, falls der Strom ausfällt», erzählt die Rentnerin, die die Nordseeinsel mit ihrem Mann schon mehr als zehn Mal besucht hat.

Schleswig-Holsteins Landesvater Peter Harry Carstensen (CDU) blickt bereits am Vormittag sorgenvoll auf die Nacht. «Jetzt geht es an die Substanz der Insel. Wir machen uns Sorgen», sagt der Ministerpräsident beim Gedanken an die Unmengen an Sand, die die seit Monaten immer wieder heranbrausenden Stürme ins Meer gespült haben. Carstensen sagt nachdenklich: «Wir können beten, aber wir können den Sturm nicht verhindern.» Nur den Folgen können die Kieler Politiker entgegen treten: In einem Sofortprogramm stellt Schleswig-Holstein in den kommenden drei Jahren 14 Millionen Euro zusätzlich für den Küstenschutz der Insel zur Verfügung.

Die Hilfestellungen für die sturmerprobten Häuser und Menschen laufen bis zum letzten Augenblick. «Wir wissen auch nicht, wann der Sturm anfängt. Aber wir arbeiten, solange es geht», sagt Tim Draht- Johnsen, einer der vielen Helfer, die mit Hilfe eines Baggers riesige Sandsäcke füllen und mit einem Radlader vor das «Strandbistro» in Westerland bringen, das direkt am Strand von der Wucht des Wasser bedroht ist. Die Fahnen vor den reetgedeckten Häusern wurden schon eingeholt. Die Müllwagen sind noch bis nach dem Mittag unterwegs, dann ist kaum noch ein Auto auf den Straßen zu sehen - die Insel ist bereit.

Die letzten Sicherheitsmaßnahmen werden am Abend in einem Sylter Katastrophenstab besprochen, an dem die Bürgermeister, aber auch Rettungsdienste und die Feuerwehr teilnehmen. «Es wurde Voralarm ausgelöst», sagt Bürgermeisterin Reiber nach dem Treffen. Die Bevölkerung sei über das Radio gewarnt worden. Für einen Katastrophenfall stehen Busse bereit, die Menschen in Sicherheit bringen können. Auch das Technische Hilfswerk (THW) könnte alarmiert werden. Am Abend noch gehen Strandläufer die Küsten ab, um die Dünen und Deiche zu kontrollieren. «Sollte irgendwo Wasser eintreten, wird die Feuerwehr mit Sandsäcken reagieren», sagt Reiber.

Auch Sedat Tunc, Abteilungsleiter im Gosch, der nördlichsten Fischbude Deutschlands, macht seinen Betrieb sturmfest. «Alles, was wegfliegen kann, wird weggepackt.» Dennoch geht er von einem normalen Geschäftstag aus. «Schaulustige sind immer unterwegs. Auch bei einem solchen Wetter.»