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Internet Internet: Beschleunigte Datenpakete

Von JULIA KLABUHN 30.03.2010, 17:02

WERNIGERODE/MZ. - Wenn es nach Ulrich Fischer-Hirchert ginge, müsste es im Harz mehr Leer-Rohre geben. Leer-Rohre, das sind unterirdische Leitungsrohre, in die Kabel verlegt werden können. Fischer-Hirchert ist Professor für Kommunikationstechnik am Fachbereich Automatisierung und Informatik der Hochschule Harz und in die Leer-Rohre möchte er Kabel verlegen, welche die letzte Strecke von den Überlandleitungen zum heimischen Computer oder ins Firmenbüro überwinden und sie mit dem World Wide Web verbinden.

Die Hochschule Harz beteiligt sich zusammen mit dem ihr angegliederten Forschungsinstitut "Harz-Optics" mit wissenschaftlich-technischer Beratung am Modellprojekt "Breitbandregion Harz". Ziel des 2008 gegründeten Breitbandzentrums Harz ist es, den Landkreis Harz flächendeckend mit schnellen Internetanschlüssen zu versorgen. Dazu musste zunächst der Status quo erhoben werden. Das Ergebnis: Nur ein Drittel der Gemeinden war mit schnellen Anschlüssen ausgestattet. "Der schnelle Internetzugang sollte heute zur normalen Infrastruktur gehören", sagt Fischer-Hirchert. Genauso wie Wasser und Strom seien Datenverbindungen harte Standortfaktoren, ohne die sich kaum eine Firma ansiedeln könne.

Der zweite Schritt war die Frage nach der bestehenden Infrastruktur. Wo liegen Kabel, wo gibt es Leer-Rohre. "Wir haben auf der Straße die Deckel aufgemacht, um zu schauen, was drunter liegt" erzählt Fischer-Hirchert von diesen Feldstudien. Aus Daten der Firmen, die Internetinfrastruktur anbieten, konnten die Wissenschaftler einen Infrastrukturatlas erstellen, ein Dokument, das allerdings strenger Geheimhaltung unterliege, damit die konkurrierenden Anbieter sich nicht gegenseitig in die Karten schauen können.

Fischer-Hirchert und seinen Kollegen dagegen liegt nützliches Wissen vor. Etwa darüber, wo noch Lücken im Netz sind. "Wenn wir von einem Straßenbauprojekt erfahren und wissen, dass an dieser Stelle noch Leitungen gebraucht werden, können wir dann darauf aufmerksam machen", erklärt er. Denn das Teuerste an der Kabelverlegung sei immer das Aufreißen der Straße.

Das Wissen um die Infrastruktur, aber auch die Kenntnisse der verschiedenen Datenübertragungstechniken machen das Breitbandzentrum Harz zu einer wichtigen Anlaufstelle für Kommunen, wenn sie die Internetversorgung ihrer Gemeinde oder Stadt ausschreiben. Dabei kommen neben Leitungen aus Kupfer oder Glasfaser auch Funksysteme, UMTS- oder Satellitentechnik in Frage.

"Wichtig bei der Bewertung eines Angebots ist neben dem Preis die Nachhaltigkeit", erklärt Fischer-Hirchert. Es sei wenig sinnvoll, eine Kommune mit einem zwar preisgünstigen System auszurüsten, das aber nur Datenübertragungsraten von zwei Megabit pro Sekunde aufweise. Man müsse damit rechnen, dass in naher Zukunft weit höhere Übertragungsraten von bis zu 100 Megabit pro Sekunde erforderlich seien.

Inzwischen, so Fischer-Hirchert, seien 40 Prozent der Kommunen im Harz mit leistungsstarken Internetzugängen ausgestattet. Er rechne damit, dass eine hundertprozentige Abdeckung Ende 2011 erreicht werden könne. Davon profitierten dann nicht nur die junge Generation der Internetnutzer. "Gerade für die ältere Menschen gibt es interessante Dienste, die nur mit schnellen Internetverbindungen möglich sind", so Fischer-Hirchert.

So gibt es ebenfalls an der Hochschule Harz ein Forschungsprojekt Technische Pflegeassistenzsysteme "Tecla". Im ersten Schritt gehe es hierbei darum, die Arbeit der Pflegedienste zu erleichtern. Ausgestattet mit einem "E-Stift" könnten die Pflegekräfte die Pflegedokumentationen computerlesbar anfertigen und so die Datenverarbeitung erleichtern. "Denkbar sind aber auch Blutdruckmesser und Gewichtssensoren, welche die Wasseraufnahme dokumentieren. Diese Daten könnten per Internet übertragen werden, damit in medizinischen Notfällen schneller geholfen werden kann", so der Wissenschaftler. Was im ersten Moment unheimlich klingt, kann möglicherweise dazu beitragen, dass ältere Menschen auch in ländlichen Regionen möglichst lange selbstständig zu Hause leben können.

Bis solche Anwendungen der Telemedizin ihren Eingang in den Alltag finden, müssen allerdings noch etliche Leer-Rohre gelegt und erschlossen werden. Auch für die Hochschule Harz in Wernigerode selbst sei das Projekt ganz praktisch interessant. "Wir sind nur über eine Leitung unter der Friedrichstraße ans Internet angeschlossen. Immer, wenn dort die Straße aufgerissen wird, gibt es Unterbrechungen", sagt Fischer Hirchert, der allerdings schon den Weg der zweiten Leitung im Auge hat. "Die Harzer Schmalspurbahn hat ein Leitungsnetz, das direkt hinter der Hochschule entlang führt."