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Innovation Innovation: Renaissance des Mühlrades

Von Steffen Höhne 27.11.2012, 18:27

Wendefurth/Halle (Saale)/MZ. - Winterdienst und Transportdienstleistungen sind das Geschäft von Henning Bänecke. In dritter Generation führt der 45-Jährige einen Fuhr- und Industrieservicebetrieb in Königshütte. Der kleine Ort im Oberharz, in dem die Flüsse Kalte und Warme Bode sich vereinen, ist vor allem Wanderern bekannt. Im Jahr 2008 fasste der Unternehmer den Entschluss, seine eigene Energieversorgung aufzubauen. Das Vorhaben, ein Blockheizkraftwerk zu errichten, verwarf er allerdings wegen steigender Holzpreise. Danach plante er, ein Wasserkraftwerk zu errichten, wie es sie früher im Harz zahlreich gab. "Die behördlichen Hürden sind allerdings hoch", sagt Bänecke diplomatisch. Das Gewässer müsse gestaut werden - ein Eingriff in die Landschaft. Zudem würden Fische in ihrem Lebenslauf beschränkt - eine Fischtreppe ist daher in der Regel notwendig.

Die Alternative: ein Flusswasserkraftwerk. "Doch am Markt gab und gibt es diese nicht zu kaufen", sagt Bänecke. Also fing er an, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Er war nicht der einzige. In Sachsen-Anhalt arbeiten mehrere Firmen daran, wie aus einem Fluss Energie gewonnen werden kann, ohne ihn zu stauen. Daraus entstand das Netzwerk Flussstrom mit elf mittelständischen Firmen und vier Forschungseinrichtungen.

Klimapreis gewonnen

Zusammen mit dem Ingenieurbüro Heiko Krause konstruierte Bänecke eine Pilotanlage, die wie ein Mühlrad funktioniert. Allein die Kraft des Flusses treibt die fast zwei Meter großen Schaufeln an. Nach nur zwei Monaten Bauzeit in Königshütte wurde im März 2011 die Anlage "River Rider" unterhalb der Talsperre Wendefurth ins Wasser gesetzt. "Damit begann die Arbeit aber erst richtig", sagte Krause. Die Schaufeln wurden verändert, um die Stromausbeute zu optimieren. "Eine Herausforderung war, bei veränderten Fließgeschwindigkeiten des Flusses eine konstante Stromeinspeisung zu gewähren", erklärt der Ingenieur. Die Probleme seien gelöst worden. "Und alles ohne Fördermittel", schiebt Bänecke nach.

Nun sehen sich die Flusskraftwerks-Pioniere am Ziel: "Wir bieten River Rider zum Verkauf an", so Krause. Mit einer Leistung von ein bis vier Kilowatt - je nach Fließ-Geschwindigkeit - ließen sich umgerechnet ein bis vier Familienhäuser mit Strom versorgen. Dies sei etwa für die Versorgung in abgelegenen Weltgegenden interessant, die nicht an ein Netz angeschlossen seien. Zuletzt erhielten die Macher dafür den Klimaschutzpreis des Landes Sachsen-Anhalt.

Die Flussstrom-Technologie steckt noch in den Kinderschuhen. "Vor einigen Jahren interessierte sich niemand dafür, da die Stromerzeugung zu teuer erschien", sagt Matthias Gohla vom Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung (IFF). Die Wissenschaftler haben im Frühjahr 2012 eine eigene Versuchsanlage auf der Elbe in Magdeburg ins Wasser gesetzt. Die Experten prüfen zwei Technologien: Das Wasserrad und den Propeller. Letzterer habe den Vorteil, dass er sich komplett unter Wasser befinde und so die gesamte Strömung nutzen kann. "Es geht darum, die kinetische Energie des Wassers bestmöglich zu nutzen", erklärt Gohla. Dies lasse sich am Wirkungsgrad ablesen. Dabei werden im Fraunhofer-Institut zunächst am Computer mittels 3-D-Technik die Mechanismen simuliert. "Erst wenn wir die optimale Form gefunden haben, werden die Teile gebaut und erprobt." Die Wirkungsgrade liegen bei rund 70 Prozent der möglichen Energiegewinnung.

KSB-Anlagen für Afrika

Nach Angaben von Gohla arbeiten mehrere Firmen in Deutschland an Flusskraftwerken. Technisch seien viele Anlagen bereits weit entwickelt, meint der Wissenschaftler. Noch sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis aber nicht so, dass sich ein kommerzieller Einsatz rechne.

Der Pumpenbauer KSB aus Frankenthal (Rheinland-Pfalz) will mit seiner neu entwickelten Flussturbine Ende 2013 auf den Markt gehen. Seit 2010 testet das Unternehmen zwei sieben Meter lange Prototypen bei St. Goar im Rhein. Durch ein Saugrohr fließt das Flusswasser und treibt einen Propeller an. "Es funktioniert wie ein Windrad, nur unter Wasser", sagt Ulrich Traugott, Leiter der KSB-Forschungsabteilung. Auch KSB verwendete viel Zeit darauf, wie sich die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten des Flusses steuern lassen. Nun will das Unternehmen, das einen Jahresumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro erwirtschaftet, weitere Anlagen im Nil in Uganda testen. Nach Worten von Traugott ist man in dem afrikanischen Land an einer dezentralen Energieversorgung interessiert. Zwar ließe sich durch mehr Staudämme günstiger Strom gewinnen. Der Eingriff in die Landschaft sei aber auch größer. Und anders als ein Windrad könne die Flussturbine beständig Strom liefern.

Es gibt laut Traugott zahlreiche Anfragen bei KSB für die Flussturbine - auch aus Deutschland. Gebaut werden die Anlagen im KSB-Werk in Halle. Hier wurden bereits die Prototypen gefertigt. Über die Größe der Produktion will Traugott noch nichts sagen. "Dass die Fertigung beginnt", so der Entwickler, "ist schon ein gewaltiger Schritt nach vorne."