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Hauptversammlungen Hauptversammlungen: Matthias Gaebler ärgert und berät Manager

Von Alexander Missal 03.05.2002, 13:31
Matthias Gaebler
Matthias Gaebler dpa

Stuttgart/dpa. - Es gibt Vorstandschefs, die in der Nacht vor derHauptversammlung ihrer Firma Albträume haben. Andere wiederumschlafen gut, ehe sie ihren Aktionären Bericht erstatten müssen. Inbeiden Fällen könnte Matthias Gaebler der Grund sein. Der 36-Jährigeist in ganz Deutschland bekannt als besonders kritischer Aktionär,der mit heiklen Fragen Manager auf Hauptversammlungen auch schon malzur Verzweiflung treibt. Andererseits bereiten Gaebler und die vonihm geleitete Stuttgarter Firma AEB Vorstände und Aufsichtsrätegezielt auf ihre Aktionärstreffen vor und helfen ihnen, Fehler zuvermeiden.

Rund 500 Hauptversammlungen hat Gaebler schon besucht, mehr alsjeder Topmanager. Als Wirtschaftsstudent spekulierte er mit Aktienund begann, die Versprechen der Unternehmen zu überprüfen und aufHauptversammlungen Fragen zu stellen. Das Lob der übrigen Aktionäreermunterte Gaebler regelmäßig in Stadthallen und Kongresszentren ansRednerpult zu treten.

Durch seine Erfahrung erkennt er heute Fehler und Widersprüche inder Tagesordnung oder im Geschäftsbericht in Sekundenschnelle. Meistkommt aber auch die Unterhaltung nicht zu kurz. Die Moderation desösterreichischen Aufsichtsratschefs der inzwischen Pleite gegangenenSoftware-Firma Brokat titulierte er zum Beispiel als «Wiener Schmäh»und die Geschäftsunterlagen des Unternehmens als «1000-seitigenGemüsegarten».

Irgendwann hätten gepeinigte Unternehmenschefs ihn gefragt, ob eres denn selbst besser machen könne, erzählt Gaebler. Seitdem berät erManager, die auf Hauptversammlungen unangenehme Überraschungenvermeiden wollen. «Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.» Zu seinenKunden zählen auch DAX-Unternehmen. Im Stresstraining bombardiertGaebler Vorstände und Aufsichtsräte mit Fragen und überlegt sich danngemeinsam mit ihnen Antworten, die den Zorn der Aktionäre besänftigenkönnten. Er hilft beim Schreiben von Geschäftsberichten und klopftsie auf Widersprüche ab.

Den Vorwurf, jetzt auf zwei Seiten zu stehen, weist Gaeblerzurück. «Ich stelle die gleichen Fragen an meine Kunden wie auf denHauptversammlungen.» Vorstände müssten sich verständlich ausdrückenkönnen und ehrlich sein, anstatt ihre Unsicherheit hinter Zahlen undParagrafen zu verstecken. «Wenn das Geld schon weg ist, sollten dieHerren den Aktionären wenigstens eine gescheite Begründung liefern.»

Als «Großaktionär» bezeichnet sich der 2,02 Meter langeUnternehmenskritiker manchmal scherzhaft. Tatsächlich hält er meistnur wenige Aktien oder lässt andere Kleinaktionäre die Ausübung ihrerStimmrechte an ihn abtreten. Trotzdem sind die Manager samt ihremHeer aus Pressesprechern und Rechtsexperten auf denHauptversammlungen oft die Gefangenen der schwäbelnden Nervensäge.Als ihn empörte, dass ein Unternehmen das Treffen erst für denNachmittag angesetzt hatte, verlängerte Gaebler mit seinen Fragen dieSitzung bis kurz vor Mitternacht. Für ihn ist das Routine, für dieVorstände eine ungewohnte Situation, die sie höchstens ein Mal imJahr erleben.

Allerdings freut sich Gaebler auch über die Einsicht vielerManager, ihr arrogantes Verhalten gegenüber den Aktionären ändern zuwollen. «Beratungsresistent sind oft ehemalige Politiker, die inAufsichtsräten sitzen», weiß er. Gegen einen von ihnen, den heutigenDFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder, wollte Gaebler am 8. Mai aufder Hauptversammlung der Baden-Württembergischen Bank sogar selbstkandidieren. Den Vorschlag - einen so genannten Gegenantrag zurTagesordnung - hat Gaeblers Vater eingebracht, der seinem Sohn gerneinmal aushilft. Zwar zog Mayer-Vorfelder seine umstritteneKandidatur für den Aufsichtsrat inzwischen zurück, doch Gaebler willdie Bank trotzdem nicht schonen: «Ich werde richtig Rabatz machen.»