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Fortsetzung Fortsetzung: Freiwillig zum Drogen-Entzug

Von Silvia Zöller 25.05.2001, 16:15

Obwohl in der Entgiftungsstation keine akutenNotfälle behandelt werden - diese kommen inder Regel auf die internistische oder dieIntensivstation - sehen die Ärzte hier beiNeuaufnahmen katastrophale Folgen der Drogensucht:Beispielsweise so genannte Reißverschlussvenen,bei denen sowohl die Arm- als auch die BeinvenenPunkt an Punkt zerstochen sind. Manche spritzensich das Heroin sogar in die Halsvene, weilsie keine andere Einstichstelle mehr finden.Ein 17-jähriges Mädchen hatte sich durch Kokainmissbrauchden Zahnschmelz komplett weggeätzt - sie brauchteein Gebiss. Aids und Hepatitis C sind häufigegefährliche Nebenerscheinungen, die die jungenLeute einfach in Kauf nehmen.

Psychisch kommen die 13 bis 19 Jahre altenPatienten allerdings in einem noch desolateremZustand in die Klinik. "Sie haben kein Gefühlfür Zeit mehr, die Zeit verschwindet durchdie Drogen", so die Chefärztin, die hierfürnur eine Parallele sieht: "Das ist ein todes-ähnlicher Zustand, denn nur im Tod ist manjenseits der Zeit."

Obwohl viele, die hier entgiften, ihr Lebenauf der Straße selbst als "schrecklich" schildernund es beenden wollen, fällt ihnen genau dieseÄnderung schwer. Unter Drogen gibt es keineEntwicklung, keinen Reiz, dieses oder jenesüberhaupt einmal zu erleben, erläutert diePsychiaterin. "Es wäre selbstgerecht, solchenJugendlichen einfach zu sagen: Du musst dochbloß aufhören mit den Drogen", meint Ute Hausmann,"das geht so einfach nicht."

In der Klinik arbeitet man mit kleinen Zielen.Beispielsweise, einem Kind einfach nur vierWochen Drogenfreiheit zu geben. Beispielsweise,einer schwangeren Jugendlichen zu erklären,dass ein Kind kein niedliches Spielzeug ist.Beispielsweise über die Gefahren von Aidsaufzuklären.

Nicht ganz einfach war es für das junge Team,zu akzeptieren, dass nicht immer der Wunschnach einem Entzug und einem drogenfreien Lebenzu einer Aufnahme in die Station ausschlaggebendwar. "Es gibt auch junge Menschen, die hierherkommen, weil sie kein Geld für neuen Stoffhaben, keine Freunde, keine Vene mehr, indie sie spritzen können oder auch nur dieAngst vor dem kalten Entzug", so die Klinikleiterin.Manche Patienten kommen zwei Mal, manche brauchenvier Anläufe in ein Leben ohne Heroin. "Craving"nennt sich dieses Phänomen: Trotz körperlichenEntzugs haben vor allem Heroinabhängige wochenlangnoch ein unüberwindliches Verlangen nach Drogen,obwohl sie clean sind.

Oberstes Gebot für den Klinikaufenthalt istdie Freiwilligkeit. Gegen den Willen der Patientenwird und kann hier niemand entzogen werden,auch nicht ein 15-Jähriger, betont StationsärztinDr. Kathrin Köhler. Wer sich also zu einemfreiwilligen Entzug entschließt, bekommt ineinem Vorgespräch die zahlreichen und strengenRegeln für die Behandlung in der geschlossenenAbteilung erläutert: Kein Alkohol, keine Drogen,geregelter Tagesablauf, kein Besuch in derersten Woche, danach nur bis zu zwei Besucher.Allerdings: Wer die Therapie mittendrin abbrechenwill, darf auch gehen. "Jeder Patient mußvor der Aufnahme unterschreiben, dass er diesenRegeln zustimmt", erläutert StationsärztinDr. Kathrin Köhler.

"Es ist ein Anfang, aber wir haben zu wenigPlatz", fasst Ute Hausmann das erste Jahrder Einrichtung zusammen. Doch auch diesesProblem soll bald bewältigt sein. Geplantist, die Station auf zehn Betten zu erweitern.Zudem wird bereits am 11. Juli ein Behandlungs-und Sportzentrum der Klinik gleich neben dervorhandenen Station eingeweiht. Dort könnendie Drogenpatienten künftig unter noch besserenBedingungen Bewegungstherapie, Tanztherapieund viele verschiedene Sportarten ausüben.