Eskalation Eskalation: Erste Tote bei Protesten gegen Mohammed-Karikaturen
Kopenhagen/Berlin/Brüssel/Kabul/dpa. - In Teheranversammelten sich am Abend mehr als 200 Muslime im Botschaftsviertelund griffen das Gebäude der dänischen Botschaft mit Steinen undMolotow-Cocktails an. Die Arabische Liga rief die Muslime nach denGewaltausbrüchen zur Mäßigung auf. Sie forderte aber ebenso «ein Endeder Beleidiung des Islams». Die Vereinten Nationen, die EuropäischeUnion und politische Parteien sowie Kirchen- undMenschenrechtsorganisationen äußerten sich besorgt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Politiker riefen erneutzu Gewaltverzicht und Dialog auf. «Gewalt kann kein Mittel derAuseinandersetzung sein», sagte Merkel in Berlin. Sie könne zwarverstehen, dass die Menschen in arabischen Ländern über dieKarikaturen erzürnt seien, dies rechtfertige aber keine Gewalt beiDemonstrationen. Das Auswärtige Amt forderte Deutsche auf, sich vonMenschenansammlungen in Syrien und Libanon fernzuhalten. dieösterreichische Außenministerin Ursula Plassnik, deren Land dieEU-Ratspräsidentschaft innehat, forderte von muslimischen StaatenGarantien für den Schutz von Europäern und deren diplomatischenEinrichtungen.
In Bagram nördlich von Kabul wurden zwei Demonstranten getötet.US-Soldaten und afghanische Polizisten hätten sich mit DemonstrantenFeuergefechte geliefert, sagte der Sicherheitschef des Distrikts, indem der wichtigste US-Stützpunkt in Afghanistan liegt. Zuvor warbereits in der ostafghanischen Stadt Mehtarlam ein Demonstrantgetötet worden. Der afghanische Präsident Hamid Karsai sagte, dieMuslime auf der ganzen Welt seien «sehr wütend» über die Karikaturen.Diese dürften nicht «wieder und wieder erscheinen». Er hoffe, dassdie westlichen Regierungen «strikte Maßnahmen dagegen ergriffen».
In Beirut erlag einer der Männer, die am Vortag das dänischeKonsulat gestürmt und in Brand gesetzt hatten, nach Angaben derPolizei seinen schweren Kopfverletzungen.Aufgebrachte Muslimedemonstrierten auch in Iran, Ägypten, Indonesien, Thailand, Indien,auf den Philippinen und in den Palästinensergebieten gegen dieKarikaturen, die von Muslimen als Lästerung empfunden werden. In derStadt Gaza attackierten Dutzende Palästinenser wieder das seit Tagengeschlossene EU-Büro. Augenzeugen berichteten, die Randalierer hätteneine Fahne mit den Emblemen der Europäischen Union verbrannt und dasGebäude mit Steinen beworfen.
In Teheran versuchten Demonstranten die österreichische Botschaftin Brand zu setzen. Sie konnten nach Augenzeugenberichten allerdingsnur das Tor anzünden, dann sei die Feuerwehr angerückt und habe dasFeuer gelöscht. Die mehreren hundert Demonstranten skandierten auch«Tod Deutschland», «Tod England» und verbrannten Flaggen der Länder. Im Botschaftsviertel versammelten sich am Abend mehr als 200Demonstranten und warfen Steine und Molotow-Cocktails auf das Gebäudeder dänischen Botschaft. Sicherheitstkräfte versuchten sie daran zuhindern, das Gebäude zu stürmen.
Die iranische Regierung hatte zuvor den sofortigen Abbruch allerHandelsbeziehungen mit Dänemark angeordnet. In Kairo führte ScheichMohammed Said Tantawi als Oberhaupt der einflussreichsten religiösenInstitution im sunnitischen Islam eine Demonstration von rund 10 000Studenten und Lehrkräften auf dem Gelände der Al-Azhar Universitätan. Er stellte sich hinter den Aufruf zur «Fortsetzung des Boykotts»dänischer Produkte. UN-Generalsekretär Annan hatte in der Nachterneut ein Ende der Gewalt gefordert. Er teile zwar die Gefühlevieler Muslime, jedoch rechtfertige «dieser Groll keine Gewalt».
Die dänische Zeitung «Jyllands-Posten» erklärte sich zu einemTreffen mit Imamen (Vorbetern) der Islamischen Glaubensgemeinschaftin Dänemark für eine gemeinsame Erklärung bereit. Als Sprecher derGlaubensgemeinschaft hatte Imam Ahmed Akkari vorgeschlagen, dass«Jyllands-Posten» sich gegenüber Muslimen in einer gemeinsamenErklärung «unzweideutig» für die Veröffentlichung der Karikaturen vorvier Monaten entschuldigt. Umgekehrt würden die Imame zur Beendigungder Proteste aufrufen.