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Autobau Autobau: Daimler kauft Industrieperle

Von FRANK-THOMAS WENZEL 17.05.2011, 21:11

FRANKFURT (MAIN)/MZ. - Es gab mal eine Zeit, da wollte Daimler nichts als Autos bauen. Die Manager haben erkannt, dass dieser Dogmatismus nicht zwingend zum Erfolg führt. Sie tun sich längst um in "angrenzenden Gebieten", wie es heißt. Dazu gehören zum Beispiel riesige Dieselmotoren.

Die stellt die Firma Tognum her, die jetzt zurück in den Konzern geholt wird. Bis 2005 gehörte das Unternehmen, das einst MTU Friedrichshafen hieß, dazu. Jürgen Schrempp, Vorgänger des jetzigen Konzernchefs Dieter Zetsche, verkaufte den Motorenbauer an den schwedischen Finanzinvestor EQT - weil die Stuttgarter ein reinrassiger Autokonzern sein wollten.

Tognum fängt da an, wo Daimler, der weltgrößte Nutzfahrzeughersteller aufhört. Die wuchtigen Aggregate sind für Yachten, Frachtschiffe, Lokomotiven oder Panzer gedacht. Zetsche hat Schrempps Entscheidung längst revidiert. Daimler hält bereits rund 28 Prozent an Tognum. Wie viel Anteile noch hinzu kommen, steht noch nicht fest. Das hängt jetzt davon ab, wie viele Anteilseigner dem nachgebesserten Übernahmeangebot bis zum 1. Juni zustimmen. Das Tognum-Management hat bereits Ja zu der neuen Offerte gesagt, mit der Tognum nun mit 3,4 Milliarden Euro bewertet wird.

Mehrere Großaktionäre wollen es den Führungskräften gleichtun. Damit wird ein Anteil von 30 Prozent überschritten, den die neuen Tognum-Herrscher als Schwelle für ein Zustandekommen des Deals festgelegt haben. Mit mehr als 30 Prozent ist die Mehrheit auf der Hauptversammlung gesichert.

Daimler wird nicht allein das Sagen haben. Die Stuttgarter wollen Tognum mit dem Triebwerks- und Motorenhersteller Rolls-Royce, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Automarke, übernehmen. Ein neues Gemeinschaftsunternehmen ist geplant, in das die Briten ihre Tochter Bergen, einen Spezialisten für Gas- und Dieselmotoren, einbringen wollen. Für Rolls-Royce-Finanzchef Andrew Shilston werden "Innovationskraft und Entwicklungsexpertise" gebündelt. Solche Aussagen gehören zur Standardrhetorik bei Übernahmen.

Der Friedrichshafener Motorenbauer gilt als Perle der deutschen Industrie. "Die Aussichten für Tognum sind glänzend", sagt Jürgen Pieper, Analyst beim Bankhaus Metzler. Vor allem in schnell wachsenden Schwellenländern werden die wuchtigen Diesel benötigt, die unter anderem auch in Bau- und Landmaschinen sowie zur Stromerzeugung eingesetzt werden. Im ersten Quartal 2011 kletterte der operative Gewinn um fast zwei Drittel auf rund 72 Millionen Euro. Für dieses Jahr erwartet der Vorstand ein Umsatzplus von mehr als zehn Prozent auf 2,9 Milliarden Euro. Zu den Profiteuren des Deals zählt in jedem Fall Tognum-Chef Volker Heuer. Er kassiert durch den Verkauf seines Aktienpakets rund 79 Millionen Euro.