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Analyse: Trotz Automatisierung fürchten Firmen hohe Tarife

Von Christian Ebner 23.09.2008, 09:56

Frankfurt/Main/dpa. - Im Frankfurter Werk des Automobilzulieferers Continental sieht man kaum noch Menschen. In Glaskästen setzen hochkomplexe Roboter die weltweit gefragten Antiblockier- und Stabilitätssysteme zusammen, fahrerlose Fahrzeuge bringen den Nachschub ans Band.

Die in Schutzanzüge gepackten Menschen greifen hier nur noch ein, wenn die Bildschirme Fehler anzeigen und am Schluss ein Siegel aufzukleben ist. Selbst die 100-prozentige Funktionskontrolle der ABS-Einheiten leisten Maschinen.

«Wir haben hier einen Automatisierungsgrad von 98 Prozent», sagt Conti-Werksleiter Paul Schneider mit Stolz. 21 Schichten könnte er pro Woche fahren, meistens sind es zwei weniger, um die Anlagen zwischendurch zu warten. Die hier benötigten Ingenieure und Facharbeiter sind hochqualifiziert, von den Auszubildenden will die Firma beispielsweise schon seit Jahren keinen einzigen mehr gehen lassen.

Trotz des hohen Automatisierungsgrades und dem daher vergleichsweise geringen Personalkostenanteil fürchtet der Personalchef der Continental-Division Chassis & Safety, Rainer Hetzer, einen hohen Tarifabschluss in der anstehenden Entgeltrunde.

Acht Prozent: Seit 16 Jahren hat die mächtigste Gewerkschaft Deutschlands nicht mehr so viel verlangt - aus Sicht des Arbeitgeberverbands GesamtMetall mitten in einen konjunkturellen Abschwung hinein. Knapp die Hälfte der rund 50 000 inländischen Conti-Mitarbeiter werden nach dem Metalltarif bezahlt.

Mit acht Prozent plus kann Hetzer wenig anfangen. «Wir brauchen jährliche Kostensenkungen von über 10 Prozent, um unsere Wettbewerbsposition halten zu können», sagt er. Fünf Prozent Preissenkungsforderungen der Kunden und Steigerungen bei den Rohstoff- und Energiepreisen in einer ähnlichen Größenordnung pro Jahr böten keinen Spielraum für überzogene Tarifabschlüsse.

Das sieht auch Manfred Kennel von der Diehl Aerospace GmbH so, die ihr größtes Werk in Frankfurt betreibt. Jüngster Verkaufsschlager des Luftfahrtzulieferers sind Rechner für die Türen des neuen Super-Airbus A380. Die Firma leidet vor allem unter dem schwachen Dollarkurs, weil rund 70 Prozent des Luftfahrtgeschäfts in der US- Währung abgewickelt werden. Als typisches Hightech-Unternehmen beschäftigt Diehl Aerospace fast ein Drittel seiner Leute in der Forschung und Entwicklung, die Produktion macht noch 29,4 Prozent der Belegschaft aus.

Wie die Zulieferer in der Autoindustrie hat sich auch Diehl Aerospace zu einem Systemlieferanten gewandelt. Das ursprüngliche Geschäft der Leiterplattenherstellung ist bereits zu einem guten Teil an eigene Zulieferer ausgelagert. Stattdessen widmet sich Diehl der lukrativeren Endfertigung der Systeme. Doch die großen Flugzeughersteller Airbus und Boeing haben hohe Anforderungen an Qualität und Kontinuität. Die gelieferten Kleincomputer müssen absolut fehlerfrei laufen und noch in 30 Jahren funktionieren. Manager Kennel legt daher auch größten Wert auf verlässliche Rahmenbedingungen: «Ein situationsangepasster Tarifabschluss und Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum würden den Wachstumspfad absichern.»