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Analyse: Ruf nach Konsequenzen für Manager

Von Silke Katenkamp 08.10.2008, 15:51

Berlin/dpa. - Kaum ein Tag vergeht ohne Hiobsbotschaften von den Finanzmärkten: Bankensterben in den USA, drohender Staatsbankrott Islands und die gigantische Bürgschaft für den DAX-Konzern Hypo Real Estate (HRE). Jetzt wächst der Unmut über die, die für die Schäden verantwortlich sein sollen.

Die Empörung reicht bis ins Kanzleramt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sonst an die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft appelliert, ist dieser Tage nicht gut auf Vorstände und Manager zu sprechen. Vorurteile über Gier und verantwortungslose Spekulationen seien in der noch nie dagewesenen Krise bestätigt worden, sagte sie in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Ein Jahr vor der Wahl wollen Union und SPD nun handeln, um «Nieten in Nadelstreifen» stärker für Missmanagement abzustrafen.

Einer hat bereits die Konsequenz gezogen. HRE-Chef Georg Funke trat nach Druck der Regierung wegen des Kommunikationsdesasters rund um die Milliardenhilfen für die Bank zurück. Rein finanziell dürfte er den Karriereknick gut verkraften können: Der 53-Jährige soll laut Medienberichten ein Altersruhegeld von 70 Prozent seines Festgehaltes bekommen- im blieben so monatlich rund 47 000 Euro. Dies bringt viele Bürger und Politiker auf die Barrikaden: Warum sollen gefeuerte Manager mit einem «goldenen Handschlag» in den Ruhestand gehen statt bei groben Fehlern wenigstens einen Teil des angerichteten Schadens zu ersetzen?

Fachleute wundern sich über die Empörung der Politiker. «Was die Politiker jetzt machen, ist reiner Populismus, um die Leute zu beruhigen», sagt Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die Interessen der Kleinaktionäre bei börsennotierten Unternehmen vertritt. Denn nach Paragraf 93 des Aktiengesetzes können - wie in den USA - Konzernchefs bei schuldhaft entstandenen Schäden für das Unternehmen im Extremfall mit ihrem gesamten Privatvermögen herangezogen werden. Auch sind es die Manager selbst, die im Schadensfall ihre Unschuld nachweisen müssen, wenn der Pflichtverstoß nicht eindeutig ist.

Hocker räumt aber ein, dass es durchaus Nachholbedarf beim Paragrafen 93 gibt. «Die Manager müssten nicht nur gegenüber dem Unternehmen, sondern auch den Aktionären haften», fordert er. In einem Zehn-Punkte-Plan der früheren rot-grünen Bundesregierung war diese Haftung bereits ausdrücklich aufgeführt. «Sie ist nie realisiert worden, weil es die Lobbyisten der Industrie erfolgreich verhinderten», sagt Hocker.

Eine Schlüsselposition nimmt der Aufsichtsrat ein. Hat ein Konzernchef seine Firma in die Krise geführt, ist es Sache des Kontrollgremiums, bestehende Ansprüche gegen den Manager durchzusetzen. Nach Ansicht der Kanzlerin machen die großen Konzerne davon so gut wie nie Gebrauch.

Hier kommt Widerspruch aus der Wirtschaft: Nach Meinung von Heiko Würtz vom Industrieversicherer HDI-Gerling wird der Paragraf 93 sehr wohl in der Praxis herangezogen. Wenn die Aufseher das nicht machen würden, müssten sie nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2005 selbst haften. «Seitdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass Aufsichtsräte für Schadensersatzforderungen viel sensibler geworden sind», sagt Würtz. Beispiele, bei denen Manager zur Kasse gebeten werden, gebe es zuhauf.

Ein Fall ist Siemens. Nach dem größten Korruptionsskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte rechnet der Münchner Elektrokonzern derzeit in einem beispiellosen Rundumschlag mit seiner früheren Führungsspitze ab. Medienberichte spekulieren von Schadenersatzforderungen gegen frühere Vorstände in Millionenhöhe.

Oft müssen Manager großer Konzerne am Ende aber nicht in die eigene Tasche greifen. «Es ist mittlerweile üblich, dass Unternehmen Versicherungen abschließen, durch die Vorstände oder Aufsichtsräte finanziell gegen unternehmerische Fehler abgesichert werden», erklärt Würtz, der bei HDI-Gerling für solche Versicherungen zuständig ist.

In den USA und bei den großen DAX-Konzernen sind diese Directors & Officers-Policen (D&O) schon lange verbreitet. Richtet ein Manager durch eine falsche Entscheidung oder leichtfertige Äußerung einen Schaden an, kommt die Versicherung dafür auf. Prominenter Fall war Ex-Deutsche-Bank-Chef Ernst Breuer: Der Bundesgerichtshof billigte Medienzar Leo Kirch einen Schadenersatzanspruch zu, weil Breuer öffentlich Zweifel an Kirchs Kreditwürdigkeit geäußert hatte.

Darüber hinaus wird in den Richtlinien für eine saubere Unternehmensführung (Corporate Governance) zusätzlich eine Selbstbeteiligung der Manager von ein bis zwei Jahresgehältern empfohlen. Obwohl freiwillig, ist das nach Ansicht von DSW-Mann Hocker bei deutschen Aktiengesellschaften längst gängige Praxis. Die Öffentlichkeit bekommt davon meist nichts mit. Wenn Vorstände oder Aufsichtsräte tatsächlich zahlen müssen, wird das wegen der Vertraulichkeit nicht mehr an die große Glocke gehängt.