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19. November 19. November: Das Blutbad war abgesagt

Von Tim Stinauer 19.11.2007, 21:07

Köln/MZ. - Computer ausgewertet

Zu diesem Zeitpunkt ist nicht absehbar, dass die Ermittlungen zu dem für heute geplanten Amoklauf eine Wende nehmen. Nachdem die Polizei den 18-jährigen Robin B., einen der beiden mutmaßlichen Attentäter, erneut vernommen und zudem Chat-Protokolle auf seinem sichergestellten Computer ausgewertet hat, steht fest: Die beiden Schüler hatten ihre Pläne für das Blutbad am Georg-Büchner-Gymnasium längst aufgegeben.

"Vor vier Wochen hatte der 18-Jährige seinem ein Jahr jüngeren Mitschüler in einem Internet-Chat mitgeteilt, dass er sich an einer solchen Tat nicht beteiligen wolle", berichtete Oberstaatsanwalt Alf Willwacher. Robin B. habe von seinem Freund die Pfeile und die Sehne einer Armbrust zurückverlangt. Diese Waffe sowie zwei Druckluftpistolen hatte die Polizei am Wochenende bei Wohnungsdurchsuchungen gefunden. Der 17-jährige Rolf B. habe offenbar noch versucht, Robin B. umzustimmen, berichtet Willwacher. Vergeblich.

Schließlich antwortete der Jüngere im Chat: "Alleine kann ich das wohl auch nicht machen." Im Verlauf der Internetplauderei deutete Rolf B. sinngemäß an: "Dann kann ich mich ja gleich vor eine Straßenbahn werfen." Diesen Plan setzte der 17-Jährige am Freitag in die Tat um - ganze zwölf Minuten, nachdem Schulleitung und Polizei ihn wegen seines gewaltverherrlichenden Internetauftritts zur Rede gestellt hatten.

Der 18-jährige Robin B. wurde am Sonntag festgenommen. Im Licht der neuen Erkenntnisse verzichtete die Staatsanwaltschaft am Montag auf einen Haftbefehl. "Eine Verabredung zu einer Straftat liegt nicht mehr vor", begründete der Oberstaatsanwalt. Stattdessen wurde der Zwölftklässler mit seiner Einwilligung in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht. An der Betroffenheit der Lehrer, Schüler und Eltern ändert das wenig. Schulleiterin Görtner räumt ein: "Man fragt sich, ob man alles richtig gemacht hat. Die zwei fühlten sich offenbar ungerecht behandelt."

Gerade Robin B. fühlte sich gemobbt, berichtet die Polizei. Er gilt als introvertierter Außenseiter, aber nicht in dem Maße, "dass man sich Sorgen hätte machen müssen", betont Görtner. Vor einem Jahr hielt er in der Schule ein Referat zum Amoklauf an der Columbine-Highschool in Littleton (USA). Etwa zu jener Zeit sei der Entschluss gereift, ein Attentat an der eigenen Schule zu verüben, sagt Oberstaatsanwalt Willwacher.

Auch Rolf B. verhielt sich ruhig und unauffällig. "Er hatte sicher keinen riesengroßen Freundeskreis", beschreibt Görtner, sei aber durchaus integriert gewesen. Ein Mitschüler war es, der Donnerstagabend erstmals stutzig wurde: Auf Rolfs Seiten in einem Schülerforum im Internet fand der Stufenkamerad Bilder vom Amoklauf 1999 an der Columbine-Highschool. "Das war irgendwie krank. Deshalb habe ich Freitag den Vertrauenslehrer informiert", erzählt der Schüler. Unter der Rubrik "Was ich mag" gab Rolf B. an: "George W. Bush, Eric und Dylan" - letztere sind die beiden Attentäter aus Littleton. Er surfte in Diskussionsforen mit Titeln wie "ABC-Waffen für Fortgeschrittene". Seine Hobbies: Computer und "Lehrer in den Wahnsinn treiben".

Polizisten Selbstmord

Fragen bleiben: Hätte die Polizei den Selbstmord verhindern können? Hätte zu dem Gespräch in der Schule ein Psychologe hinzugezogen werden müssen? Oder Rolfs Eltern? Waren die Polizisten überfordert? "Nein", so Polizeisprecher Jürgen Laggies. "Sie waren geschult." Und schließlich sei das Gespräch "im Beisein des stellvertretenden Schulleiters geführt" worden. Ein Pädagoge. Keiner habe weitere Maßnahmen für notwendig gehalten.