WM 1982 WM 1982: 25 Jahre «Schmach von Gijon»

Hamburg/dpa. - Was sichDeutschland und Österreich im letzten WM-Vorrundenspiel 1982leisteten, hatte die Fußball-Welt bis dahin nicht gesehen. Abspracheund Schiebung waren die meistgebrauchten Worte nach dem deutschen1:0, das auch das Austria-Team eine Runde weiter brachte. Betrogenfühlten sich neben dem zahlenden Publikum die Algerier, die trotzihres erfrischenden WM-Auftritts vorzeitig die Koffer packen mussten.Am kommenden Montag jährt sich das peinliche Geschehen, das als«Schmach von Gijon» in die Fußball-Geschichte einging, zum 25. Mal.
Genau genommen wurde in dem Nachbarschafts-Duell nur elf MinutenFußball gespielt. Denn nach dem 1:0 durch Horst Hrubesch machte sichin den Köpfen der 22 Akteure schnell das Bewusstsein breit, einResultat erreicht zu haben, das beiden weiterhalf. Die Risiko-Bereitschaft ließ nach und in der zweiten Halbzeit gipfelte dasvorsichtige Taktieren darin, dass beide Teams quälende Minuten langmit Quer- und Rückpässen den Ball in den eigenen Reihen hielten. Dieneutralen Spanier auf der Tribüne pfiffen, was das Zeug hielt, dieAlgerier witterten ein Komplott und wedelten mit Geldscheinen, um aufdiese Weise zu demonstrieren, dass das Spiel gekauft worden sei.
«Für die Unmutsbekundungen der algerischen Fans habe ich schon einbisschen Verständnis, weil es so aussah, als sei es abgesprochen. Daswar es aber nicht. Das Spiel konnte man Mitte der zweiten Halbzeitnicht mehr ansehen. Das war ja ein Nichtangriffspakt», erinnerte sichder deutsche Abwehrchef Karlheinz Förster an das unwürdige Geschehen,das einem Betrug an 40 000 Zuschauern im Stadion und Millionen am TV-Schirm gleichkam. «Es war überhaupt nicht abgesprochen, es ergab sichaus dem Spiel heraus. Wobei es ein Risiko für beide war.»
Aus österreichischer Sicht erzählte Walter Schachner, wie dasTrauerspiel zu Stande kam. Der Stürmer räumte ein, dass es Gesprächeüber den Ausgang der Partie gegeben habe. «Es hat in der Pausezwischen österreichischen und deutschen Spielern, die sich gutverstanden, Absprachen gegeben, dass man es bei diesem Resultatbelassen soll. Bis zu mir ist das aber nicht durchgedrungen. Ich bingelaufen wie ein Wahnsinniger und war richtig ang'fressen», sagteSchachner, der als einziger Spieler seines Teams ernsthaft versuchthatte, ein Tor zu erzielen, und sprach von einem «Schandfleck».
Während Paul Breitner nicht mehr auf das Thema angesprochen werdenmöchte («Dieses Spiel hat einen Bart ohne Ende, und der wird immerlänger und länger»), kann sich Wolfgang Dremmler gut erinnern: «Ichweiß nichts von Absprachen, weder vorher noch in der Halbzeit.Vielleicht haben sie mir nichts gesagt, weil ich zu unbedeutend imTeam war. Ich weiß nur, dass sich der Herbert Prohaska, gegen den ichgespielt habe, immer weiter zurückgezogen hat. Mir war das recht.»
Die Konstellation vor dem letzten Spiel der Vorrundengruppe 2hatte die Tür für Ergebnisfußball geöffnet. Österreich führte mit 4:0Punkten vor Deutschland und Algerien mit jeweils 2:2 Zählern undChile (0:4). Nach dem 3:2 der Nordafrikaner gegen Chile tags zuvorwar klar, dass an jenem 25. Juni 1982 ein knapper deutscher Erfolgsowohl Jupp Derwalls Elf als auch die Österreicher in die zweiteFinalrunde hieven würde. In ersten Reaktionen nach dem Spiel wurdedurch unbedachte Äußerungen weiteres Öl ins Feuer gegossen. «DasPublikum hat überhaupt nicht kapiert, um was es hier für uns ging,nämlich um das Weiterkommen. Wir haben hier eine WM», ereiferte sichBreitner. «Ich verstehe irgendwie die Reaktionen der Zuschauer, aberich kann mich darum wirklich nicht kümmern», sagte Dremmler.
Der damalige Bundestrainer Derwall, seit der 1:2-Auftaktpleitegegen Algerien mächtig unter Druck, wollte Journalisten, die sich desWortes Betrug bedienten, mit juristischen Schritten drohen underhielt Rückendeckung von Verbandspräsident Hermann Neuberger. Es sei«das gute Recht einer Mannschaft, langsam und auf Sicherheit zuspielen, wenn es dem Erfolge dienlich ist».
Doch die internationale Presse war sich in ihrem vernichtendenUrteil einig. Von einer «düsteren, unerträglich skandalösen Farce»schrieb die französische «L'Equipe». Die «Kronen-Zeitung» in Wienbezeichnete das Treiben als «Schande für die Weltmeisterschaft» unddie «Neue Zürcher Zeitung» prangerte an: «Das passive Verhalten dermeisten Spieler musste als Verrat am Sportsgeist empfunden werden.»Nicht zuletzt durch die Heftigkeit dieser Reaktionen aufgeschreckt,reagierten auch die Fußball-Funktionäre. Um jegliche Manipulationauszuschließen, finden seit der Europameisterschaft 1984 bei allengroßen Turnieren die letzten Spiele einer Gruppe zeitgleich statt.

